Sie wirken seit dem Trainingsstart am 6. Jänner so entspannt wie noch nie, seit Sie bei Sturm arbeiten. Woher kommt diese Gelassenheit?

Günter Kreissl: Das ist eine subjektive Wahrnehmung. Aber vielleicht wirkt es so, weil uns eine entspannte Transferzeit bevorsteht, bei der vielleicht die eine oder andere Überraschung passieren kann. Aber es trägt auch der Trainer dazu bei, der Gelassenheit ausstrahlt.

Also ist Nestor El Maestro Ihr Therapeut?

Kreissl: Richtig, in jeder Hinsicht. Spaß beiseite. Er ist ein Typ, der Zuversicht gibt. Und wir haben bisher kaum Stresssituationen miteinander gehabt. Er ist ein rationaler Mensch.

So wie Sie?

Kreissl: In 95 von 100 Spielen bin ich rational. Hängen bleiben aber nur die emotionalen Situationen, bei denen auch zweimal Kameras mitgelaufen sind. Wie bei einer Realityshow. Und wenn dir das passiert, ist das dämlich und ein Fehler.

Inwiefern kann man den SK Sturm mit einer Realityshow vergleichen?

Kreissl: Zum Glück nicht, auch wenn es einige Leute gerne hätten. Schön, dass das Interesse für Sturm so groß ist. Man kann es als Realityshow nicht machen, weil die Vertraulichkeit in ganz vielen Personalentscheidungen die Basis dafür ist, dass es überhaupt funktionieren kann. Es geht in Summe noch viel zu viel raus. Das ist schädlich und deswegen ist Vertraulichkeit ganz wichtig.

Ihr Trainer glänzt nicht durch Plattitüden. Wie sehr gefällt Ihnen das?

Kreissl: Am Anfang war eine Phase der Verwunderung bei vielen da, was und wie er manches sagt. Es gibt vielleicht ein, zwei Situationen, wo er in seinen Emotionen über die Stränge geschlagen hat, aber er ist immer extrem aufrichtig. Ich bin froh, dass da einer ist, der nicht nur Floskeln rauswirft, sondern ganz spezielle und sehr offene Antworten gibt.

Braucht der SK Sturm diese erfrischende Ehrlichkeit nicht ohnehin?

Kreissl: Ich glaube, dass es jedem Verein guttut, wenn jemand gewisse Strukturen durchbricht, auch uns.

Sie sind immer hinter Nestor El Maestro gestanden, auch nach dem 3:3 in Mattersburg, wo die Funken geflogen sind. Haben Sie nie an ihm gezweifelt?

Kreissl: Da hat es schon die eine oder andere Formulierung gegeben, die man nicht machen muss. Über das haben wir gesprochen, das ist ihm bewusst. Danach hat er sich keine einzige Entgleisung mehr geleistet.

Ist Nestor El Maestro Ihr letzter Trainer, weshalb er einfach funktionieren muss?

Kreissl: Wenn alles normal läuft, wird Nestor El Maestro mein letzter Trainer sein. Ich habe nicht vor, den Trainer freizustellen und selbst zu bleiben.

Wenn der Trainer aus sportlichen Gründen gehen müsste ...

Kreissl: ..., würde ich mitgehen.

Das ist fix?

Kreissl: Das ist fix. Das ist meine klare Ansage.

Das heißt, der Trainer muss liefern?

Kreissl: Ich bin überzeugt vom Trainer. Ich halte ihn für so talentiert, dass es derzeit keinen besseren für Sturm Graz gibt.

Gibt es für Sie ein Ablaufdatum?

Kreissl: Es gibt für alles einen richtigen Zeitpunkt. Jetzt mitten in der Transferzeit möchte ich meine Personalie nicht diskutieren. Aber nach Ende der Transferzeit möchte ich alles so schnell wie möglich geklärt und kommuniziert haben.

Was gibt es zu klären?

Kreissl: Es gibt zwei Möglichkeiten: Ich bleibe oder ich bleibe nicht. Und dies hat unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten. Wenn es nach mir geht, möchte ich mich nach Ende der Transferzeit äußern. Wenn es der Verein anders sieht, muss man das besprechen.

Weil es ein unbefristeter Vertrag ist, geht es nur darum, ob der Verein Sie noch haben möchte bzw. Sie noch für den Verein arbeiten wollen, oder?

Kreissl: Richtig. Der Job ist sehr kräfteraubend. Als ich den Job hier begonnen habe, ist meine Tochter in den Kindergarten gegangen, jetzt kommt sie ins Gymnasium. Das ist ein Zeitfenster, in dem ich gefühlt fast nur gearbeitet habe. Ja, es ist auch eine Variante, dass ich sage, ich gehe.

Gibt es Dinge, die sich ändern müssen, damit Sie bleiben wollen?

Kreissl: Es muss sich weniger außerhalb von mir ändern. Ich muss das Gefühl haben, dass ich die Gier und die Power habe, dass ich das noch machen möchte. Es ist eine persönliche Frage: Wie lange will ich noch in der ersten Reihe stehen? Ich mache das jetzt acht Jahre, das kostet unglaublich Kraft. Und Pausen sind bei diesem Rhythmus sehr wichtig. Da kann man alle fragen, die nicht freiwillig Pause machen mussten. Schauen wir auf die Trainingslehre: Leistung setzt sich zusammen aus Belastung und Pause. Und wenn du nur belastest, gibt es irgendwann keine Leistungssteigerung mehr.

Um bei der Sportwissenschaft zu bleiben: Ist es falsch, zu behaupten, dass man sich beim SK Sturm auf der Position des Sport-Geschäftsführers permanent im Übertraining befindet?

Kreissl: Diesen Worten ist nichts hinzuzufügen. Aber ich denke, das ist bei allen Spitzenklubs in Österreich so. Internationale Klubs will ich nicht vergleichen.

Würde der Verein Ihnen Regeneration zugestehen?

Kreissl: Das ist ein Szenario, das nicht auszuschließen ist. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Es hat lose Gespräche gegeben. Aber wir sind super aufgestellt. Andreas Schicker (Anm. Chefscout) macht einen super Job.

Glauben Sie, dass die Kraft wiederkommt?

Kreissl: Das kann kommen, aber es ist eine Herausforderung. Ich bin am Anfang gefragt worden, was der Unterschied zu Wiener Neustadt ist. Es ist nicht das Eine, es ist die Summe der Dinge. Es ist vor allem diese Aufgeregtheit – extern, aber auch intern. Ich würde mir wünschen, dass der Verein ein bisschen klarer ist, die Linie durchzuziehen, zu der man sich bekennt, und nicht auf Zurufe von außen so nervös reagiert. Das tun wir aber immer wieder. Und das alles kommt alles zu mir. Aber ich verstehe auch, dass unsere Leute, die laufend bei diversen Veranstaltungen sind, von Leuten deren Senf über den SK Sturm zu hören bekommen.

Zum Schluss noch eine sportliche Frage: Wann würden Sie diese Saison als erfolgreich bezeichnen?

Kreissl: Wenn wir in der Liga unter den Top drei sind bzw. im ÖFB-Cup ins Finale kommen.