Nach 45 Minuten stand die Mannschaft des FC Bayern ihrem Trainer gegenüber in einer Bringschuld. Im Plan von Thomas Tuchel war vorgesehen, die erste Hälfte des Rückspiels gegen Manchester City mit einem Gewinn abzuschließen. Dann, so das Kalkül des Trainers, wäre das Produkt in seiner Gesamtheit noch herzustellen. Ein 1:3 oder gar ein 2:3 hätte die Perspektive für das Halbfinale markant verschoben. Doch es blieb beim 0:3, wiewohl es möglich gewesen wäre, zumindest dieses Vorhaben umzusetzen.

Nach 90 Minuten entsprach die Abweichung von Tuchels Absichtserklärung der Distanz zwischen dem City-Sechzehner und einem Erling Haaland allein im gegnerischen Strafraum. Das Ergebnis von 1:1, also ein Gesamtscore von 4:1, bildete zwar nicht den Leistungsunterschied ab, besaß aber trotzdem große Aussagekraft. Manchester City hatte das in den vergangenen Wochen aufgebaute Selbstverständnis besser umgesetzt, als es sich der zweckpessimistische Pep Guardiola erhofft hatte. Der Trainer denkt schon weiter: Real darf kommen.

Teil eins wäre für die Bayern anhand der Tatsachen noch machbar gewesen. Die Bayern hatten das mittelfristige Gedächtnis eingesetzt und sich an das Hinspiel erinnert, zumindest an die ersten 70 Minuten. So legten sie los, um möglichst rasch die gegen einen solchen Gegner für sehr unwahrscheinlich gehaltene Wende doch noch einzuleiten. In der 17. Minute lief Leroy Sané auf das City-Tor, überhob Ederson, doch er hatte zu ungenau gezielt – der Versuch ging daneben. Es war die größte Gelegenheit der starken und den Ball meist besitzenden Bayern in Hälfte eins. Die zweitgrößte folgte kurz vor der Pause, gleich mehrfach, es half nicht. Dazwischen war jede Menge Aufregung zu verarbeiten, von beiden Seiten. Dayot Upamecano sah Rot wegen Torraubs gegen Erling Haaland, doch der Franzose hatte zunächst noch Glück, dass der Norweger aus einem sehr knappen Abseits gestartet war (18.). Später war Upamecanos Hand zwar nicht entscheidend, aber regelwidrig im Spiel und wieder war Fortuna auf der Seite des Bayern-Verteidigers. Haaland knallte den Strafstoß über das Tor.

Doch nach Seitenwechsel kippte das Glück auf die Gegenseite. Kingsley Coman verpasste eine sehr gute Gelegenheit und im Gegenzug erledigte Manchester City das Viertelfinale. Kevin de Bruyne legte auf für Haaland, Upamecano hätte eingreifen können, doch dem schon im Hinspiel patschert aufgetretenen Franzosen unterlief ein folgenschwerer Ausrutscher. Der Torjäger hatte freie Bahn und leistete sich keinen Fauxpas mehr. Der Spannungsabfall war in der Münchner Allianz-Arena akustisch deutlich vernehmbar. Nun stand es 0:4 aus Sicht der Bayern, die Lage war aussichtslos geworden.

Der Rest beschränkte sich zwangsläufig auf ein besseres Schaulaufen. In der 82. Minute gab es einen Handelfer für die Bayern, Kimmich verwandelte und verhinderte wenigstens die Heimniederlage. Für die Bayern ist es ein schwacher Trost. Dass Tuchel auf die Tribüne musste, war nur noch eine Randnotiz.

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