Es ist an Skurrilitäten und Merkwürdigkeiten nicht zu überbieten, was sich aktuell rund um das österreichische Nationalteam abspielt. Es scheint so, als hätte der Fußballgott sein Füllhorn über die Alpenrepublik ausgeleert, bis zum Rand voll mit wenig erquicklichen Zutaten. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit schienen sie vertrieben, die Gespenster einer finsteren Vergangenheit. Die Gegenwart jedoch wirkt wie ein Rückfall ins fußballerische Spätmittelalter.

Es sind natürlich keine dunklen Mächte, die eine unselige nähere Zukunft heraufbeschwören, es sind echte Menschen. Täter? Franco Foda jedenfalls schlüpft hier eher in die Opferrolle, denn er müsste inzwischen mit dem Goldenen Verdienstzeichen für Tapferkeit und Edelmut geehrt werden. Seit mindestens zwei Monaten steht der Nationaltrainer am öffentlichen Pranger, wird von außen und auch von innen attackiert, wie es seine Spieler auf dem Platz bei keinem auch noch so geringen Gegner vermögen würden. Aber er steht noch da, obwohl inzwischen jede Gestreckte ins Leere fahren müsste, weil er längst auf dem Rücken liegen sollte. Und die halbe österreichische Fußballwelt fragt sich: Wie hält dieser Mensch das bloß aus?

Was haben sie sich gedacht, die Wahlmänner des Österreichischen Fußball-Bundes, als sie einen aus ihren Reihen, den burgenländischen Langzeitfunktionär Gerhard Milletich, zum neuen obersten Sprecher des Verbandes kürten und danach der Einfachheit halber einmal alles beim Alten beließen? War es Anerkennung anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des jüngsten Bundeslandes? Der ÖFB agiert wie ein Ältestenrat, dem allerdings offenbar die Weisheit fehlt. Foda behielt seinen Posten. Doch zu welchem Preis?

Denn der Deutsche ist nicht angezählt, sondern ausgeknockt. Jede Partie des Nationalteams wird zum Schicksalsspiel für den Teamchef ausgerufen und vor den letzten beiden Matches dieser unglückseligen WM-Qualifikation gegen Israel (Freitag, 20.45 Uhr) und Moldawien (Montag, 20.45 Uhr) in Klagenfurt ist im Grunde klar, dass nur atemberaubende Auftritte dem Bedauernswerten den Posten sichern würden. Vorerst. Foda ist noch im Amt, aber eigentlich ist er dazu verdammt, die ausstehenden Spiele bloß abzudienen. Was ist der Plan?

Verbleib nur mit Vollmacht

Die Aufrechterhaltung des Status Quo hätte dem Gremium eigentlich zwingend vorgeschrieben, Foda quasi eine Vollmacht auszustellen und ihm zu garantieren, dass er, unabhängig vom Ausgang dieser Spiele, bis zum Play-off im März den Posten behalten dürfe. Dann wäre der Vertrag erfüllt, vorbehaltlich des Erreichens der Endrunde in Katar. Eine vorzeitige Ablöse im Oktober wäre eine klare Ansage gewesen und der ÖFB hätte sich diese Informationen der Kleinen Zeitung zufolge finanziell auch durchaus leisten können. Doch was herauskam, war eine typisch österreichische Zwischenlösung. Foda jedenfalls tappt weiter im Ungewissen, denn er bekam von der neuen ÖFB-Führung nicht diese Zusicherung bis zum Frühjahr, die wenigstens mehr Ruhe hätte erzeugen können. "Nein, das gibt es nicht. Aber im Fußball gibt es nie eine Garantie", meinte der Teamchef am Donnerstag auf Anfrage.

Eng verknüpft mit der Trainerdiskussion ist auch die Position des Sportdirektors. Auch Peter Schöttel wird infrage gestellt, Milletich führt Gespräche mit möglichen Kandidaten, noch ehe ein klarer Weg vorgezeichnet ist. Das muss zusätzliche Verunsicherung unter den noch handelnden Personen erzeugen und ist der Atmosphäre zwischen Chefetage und sportlicher Leitung gewiss nicht förderlich.

Die bitter nötig gewesene Aufbruchstimmung wurde also zunächst einmal im Keim erstickt. Dies nimmt nun im an sich gar nicht so trüben November geradezu gespenstische Formen an. Das Wörthersee-Stadion wird sich in gähnender Leere ausbreiten, die Spieler hört man sagen, das sei eh nicht so schlimm, weil sie solche Kulissen durch Corona ohnehin schon gewöhnt waren, und die beiden Länderspiele, die ursprünglich als krönender Abschluss einer grandiosen WM-Bewerbung angedacht waren, werden - allen Beteuerungen zum Trotz - faschiert. Allerdings nicht zu einer - Marko Arnautovic weiß das - auf der Zunge zergehenden Bolognese. 

Schicksalsspiele?

Es sind der bitteren Beigeschmäcker zu viel, die da dem österreichischen Fußballvolk aufgetischt werden. Es gibt kein Patentrezept für den Erfolg, aber auch ein Konzept ist nicht ersichtlich. Alle Beteiligten klammern sich an den zuvor noch so famos verteufelten Rettungsanker der Nations League, frei nach dem Motto: Wiedergeburt statt Untergang. Doch der Teufel schläft ja nicht und schickt womöglich Spanien, auswärts. Das ist der Stoff, aus dem Albträume gewebt werden. Doch ganz so schlimm muss es ja auch nicht kommen.

Aber auch diese Begegnung erhält dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Status eines Schicksalsspiels zugewiesen. Die (inflationäre) Verwendung des Begriffs wirkt an sich schon verstörend genug. Vor allem angesichts eines Spiels gegen Israel.