Das Bemerkenswerte am Modus einer Fußball-Welt- oder Europameisterschaft ist das Faktum, dass du ohne (während des Spiels) erzieltes Tor den Titel holen, andererseits aber auch ohne Gegentreffer leer ausgehen kannst. Ersteres kann bei der Euro 2020 nicht mehr passieren, die zweite Variante ist noch möglich. Dann würde es England sehr hart treffen, wenn die Halbfinal-Partie am Mittwoch gegen Dänemark nach 120 Minuten 0:0 endet und die Mannschaft von Gareth Southgate anschließend das Elfmeterschießen verliert.

Jordan Pickford musste bei dieser EM-Endrunde in fünf Matches noch nie hinter sich greifen, ein wahrhaftiger Hüter seines Tores. Dass der 27-Jährige aus Washington im englischen Nordosten stammt, wo auch die Ahnen des ersten Präsidenten der USA einst zu Hause waren, sei hier am Rande erwähnt. Fakt ist, dass Pickfords Vorderleute auch aufgrund seiner Leistungen bisher als Hüter ihrer (körperlichen) Verfassung in die Geschichte der Euro eingingen. Sie mussten noch keine Verlängerung und schon gar kein Elferschießen überstehen, dafür aber den Angstgegner aus Deutschland.

Dies gelang auch, weil die Engländer bewiesen haben, dass sie nicht nur glänzend verteidigen können, sondern auch, wie sie in der Schlussphase der Löw-Ära und vor allem gegen die Ukraine zeigten, vortrefflich angreifen. Die konsequente Steigerung von Spiel zu Spiel (von der Mitleids-Partie gegen die Schotten abgesehen) ging einher mit einer beständig zunehmenden Torgefahr.

Das englische Dreigestirn

Vor allem die Kopfballstärke ist beeindruckend, fünf der acht Treffer fielen auf diese Weise. In überragender Form präsentierten sich bisher der dreimalige Torschütze Raheem Sterling und Manchester-United-Verteidiger Luke Shaw, der drei Treffer vorbereitete. Goalgetter Harry Kane kam mit jedem Match besser in Schwung und hat ebenfalls schon dreimal getroffen. Das zuvor in sehr moderatem Stil vorgetragene Tempo der gesamten Elf erhöhte sich im Lauf des Turniers.

England ist in sehr vielen Belangen über Dänemark zu stellen, nur auf einer Ebene haben sie keine Chance. Die Skandinavier schlüpften im ersten Spiel gegen Finnland durch den Herzstillstand ihres Stars Christian Eriksen in die Rolle des sentimentalen Favoriten und haben ihre weiteren fußballerischen Aufgaben mit Bravour bewältigt. Die Niederlage gegen die Finnen fällt aus der Wertung, weil das Spiel bei normalem Verlauf gewonnen worden wäre.

Allerdings hatten die Dänen mit Belgien bisher nur einen Topgegner zu bekämpfen, und diese Partie ging verloren. Wales und auch Tschechien, das ihnen im Viertelfinale noch zusetzte, agieren nicht auf höchster Fußballebene. Die phasenweise gezeigte spielerische Leichtigkeit der neben dem erfahrenen Martin Braithwaite aufgebotenen jungen Wilden Mikkel Damsgaard und Kasper Dolberg, gepaart mit einer stabilen Defensive um Simon Kjaer und Andreas Christensen, könnte die Engländer aber doch vor Probleme stellen. Das Publikum in Wembley wird jedoch bei aller Sympathie für den Gegner etwas dagegen haben.