Eine Glaskugel besitzt Teamchef Roger Bader nicht. Ihm werden auch keine übernatürlichen Kräfte vorhergesagt. Aber der Schweizer schien vor dieser WM etwas geahnt zu haben, was niemand zu träumen wagte: Einen Sieg gegen eine Eishockey-Großmacht wie USA je in Erwägung zu ziehen, wäre ja töricht. Lange lag die große Sensation, also ein Sieg gegen die NHL-Spieler in der Luft. Der Punktgewinn minderte die riesengroße Überraschung mitnichten.

"Es ist schon ein bisschen bitter, nicht gewonnen zu haben. Vor allem in den ersten beiden Abschnitten haben wir sehr gut gespielt, im letzten Drittel haben wir den Puck aber immer wieder zu leichtfertig hergegeben. Dennoch können wir mit viel Selbstvertrauen in die nächsten Spiele gehen", resümierte Marco Kasper, der zum besten österreichischen Spieler der partie gewählt wurde.

Dass eine Niederlage in einem WM-Turnier plötzlich für zusätzliche Energie sorgen kann, dafür lieferte Österreich bei seinem zweiten Auftritt den besten Beweis. Der Außenseiter zeigte sich selbstbewusst und startete gegen die favorisierten US-Amerikaner mit breiter Brust. Das unterstrich beispielsweise ein sauber gesetzter Check von Nico Feldner tief in der gegnerischen Zone. Die NHL-Cracks wirkten von all dem offensichtlich irritiert. Und: Das Team von Roger Bader schien überdies auf die Standard-Spielzüge gut vorbereitet, machten in der neutralen Zone dicht. Im Gegensatz zum Schweden-Spiel wurde den Österreichern mehr Scheibenbesitz zuteil.

Ein gut inszeniertes rot-weiß-rotes Powerplay blieb trotz guter Möglichkeiten ohne Torerfolg. Für das 1:0 sorgten dennoch die Österreicher. Kasper, der sich in einer Aktion zuvor sehenswert durch die US-Reihen tanzte, bediente am Benjamin Nissner am kurzen Pfosten und der zeigte sich abgebrüht. Und gleich im Anschluss hatte Benjamin Baumgartner das 2:0 am Stock (15.). In einem weiteren Powerplay zeigten sich die Österreicher aber nicht konsequent und konzentriert genug.

Nach der ersten Pause präsentierten sich die Favoriten plötzlich deutlich bissiger und auch aggressiver. Die Standpauke der US-Trainer dürfte wohl angekommen sein. Und die Österreicher wirkten richtiggehend eingeschnürt. Ein geblockter Schuss von Kapitän Thomas Raffl wurde von der Spielerbank bejubelt, als hätte er das 2:0 erzielt. "Unser Teamspirit ist einfach unglaublich, wir sind als Einheit richtig zusammengewachsen", merkte auch Ali Wukovits an. Selbst bei 5:5 gelang selten die Befreiung. Bitter: Bei einem der seltenen Vorstöße dürfte sich Benjamin Baumgartner verletzt haben, er humpelte vom Eis. Laut Teamchef Bader handelt es sich um eine Knöchelverletzung, ob der Schweiz-Legionär das Turnier forsetzten wird können, sei fraglich. Gegen Tschechien am Dienstag wird jedenfalls Simeon Schwinger den Stürmer ersetzen.

Österreich allerdings wehrte sich erfolgreich. Einerseits lieferte David Kickert starke Paraden, zum Anderen fehlte den US-Amerikanern bei Top-Chancen die Präzision. Und wie aus dem Nichts trafen die Österreicher. Eine schnelle Befreiung führte zu einem 3:2-Konter. Schnurgerade Pässen von Haudum über Wukovits zu Paul Huber schloss er zur 2:0-Führung ab. Der Salzburg-Stürmer ließ Goalie Straus Mann abgebrüht aussteigen. Doch der Jubel über den Vorsprung währte nur kurz. Unmittelbar nach dem Bully schnappte sich Kiefer Bellows hinter dem rot-weiß-roten Tor den Puck, kurvte nach vorne und lupfte ihn via Kickerts Maske ins Gehäuse. Die US-Dominanz schlug sich auch auf die Torschussstatistik nieder (14:4).

Mehr und mehr schienen die Kräfte der Österreicher zu schwinden und gleichzeitig der US-Druck zu steigen. Bader musste aufgrund des Baumgartner-Ausfalls umstellen, das Team konzentrierte seine Strategie logischerweise nur noch darauf, den Puck aus der eigenen Zone zu bringen, Nadelstiche zu setzen. Kurz nach Wiederbeginn im Schlussabschnitt hatten die Rot-weiß-roten bei einem Stangenschuss Glück. Nach einer unnötigen Huber-Strafe gelang Adam Gauddette der sehenswerte Ausgleich in den Winkel.

In der Schlussphase entwickelte sich ein offener, sehenswerter Schlagabtausch. Auch die Österreicher hatten durch Lebler eine tolle Chance, Kickert gleichzeitig bei einem Lettieri-Schuss Glück. Eine US-Strafe bot 54 Sekunden vor Schluss noch eine attraktive Gelegenheit. Es blieb aber beim 2:2 und sicherte sich sensationell zumindest einen Punkt. Einziges Manko: Plötzlich war DJ Ötzi in der Nokia-Arena zu hören.

In der Verlängerung zeigte sich Österreich tonangebend. Nicht nur aufgrund des Überzahlspiels. Wieder einmal verhinderte ein Metalltreffer durch Peter Schneider einen Treffer. Die USA sicherten sich schließlich doch den Sieg. Nach einem haarsträubenden Fehler versenkte Luke Hughes im 1:0-Konter den Puck zum 3:2-Sieg. "Wir können dennoch sehr zufrieden sein, haben alles, was wir hatten am Eis gelassen. Der Punkt ist extrem wichtig für den Kopf, die positive Energie werden wir auch in das nächste Spiel mitnehmen", weiß KAC-Stürmer Lukas Haudum.

Teamchef Roger Bader: "Die Mannschaft hat viel Energie gehabt. Ich bin sehr stolz auf meine Spieler. Ich habe dieses Spiel sehr genossen. Wir konnten körperlich sehr gut mithalten. Es war eine außergewöhnliche Leistung gegen ein sehr gute Team gespickt mit NHL-Spielern."

Übrigens: Großbritannien, Österreichs härtester Konkurrent um den Klassenerhalt, zeigte eine starke Vorstellung gegen Norwegen. Die Insulaner holten binnen vier Minuten im Schlussabschnitt einen 0:3-Rückstand auf. Im Penaltyschießen setzten sich die Skandinavier mit 4:3 durch. Der Punktgewinn von Team Austria hat somit auch psychologischen Wert, damit zog man mit den Briten wieder gleich.