Ein Polizeigroßaufgebot hat mit der Räumung eines Protestcamps pro-palästinensischer Aktivisten an der Universität von Kalifornien in Los Angeles (UCLA) begonnen. Mit Schutzschilden und Schlagstöcken bewaffnet, rückten die Einsatzkräfte in der Nacht auf Donnerstag in das Lager vor. Zuvor hatten sie mit Einbruch der Dunkelheit auf dem Campus der renommierten Hochschule Stellung bezogen und die Demonstranten vergeblich mit Lautsprechern zum Verlassen des Geländes aufgefordert.
Übereinstimmenden US-Medienberichten zufolge rissen Beamte am frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit) aufgestellte Barrikaden nieder. Laut dem TV-Sender CNN wurden Dutzende Demonstranten festgenommen und abgeführt. Aktivisten versuchten die Polizisten aufzuhalten. Sie skandierten „schiebt sie zurück“. Einige hielten provisorische Schutzschilde und Regenschirme in den Händen, andere wappneten sich mit Helmen, Schutzbrillen und Atemschutzmasken, wie auf den TV-Bildern zu sehen war.
In dem etwa Fußballfeld-großen Zeltlager hielten sich nach Schätzungen von Lokalmedien 300 bis 500 Aktivisten auf. Weitere 2000 versammelten sich demnach aus Solidarität vor den Barrikaden. Trommelnd und mit „Schämt euch“-Rufen hatten sie die Hundertschaften der Polizei empfangen, als diese an der Universität eintrafen. Einige Aktivisten schwenkten Palästinenserfahnen, viele trugen das traditionelle Palästinensertuch. Eine deutlich kleinere Gruppe von Demonstranten hielt israelische Fahnen hoch und forderte mit Sprechchören die Polizei auf, das Zeltlager aufzulösen.
Die Universitätsleitung hatte das Camp zuvor als widerrechtliche Aktion eingestuft. In der Nacht auf Mittwoch war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen, als eine vermummte Gruppe mutmaßlich pro-israelischer Gegendemonstranten das Zeltlager mit Stöcken und Stangen angriff. Universitätsvertreter machten nicht näher bezeichnete „Anstifter“ verantwortlich für den Tumult und kündigten eine Untersuchung an. Bis zu dem Vorfall hatten die Aktivisten des vergangene Woche errichteten Zeltlagers sich weitgehend friedlich verhalten.
Die Auflösung ist kein Einzelfall. Erst am späten Dienstagabend hatte die New Yorker Polizei ein pro-palästinensisches Protestlager auf dem Campus der Eliteuniversität Columbia aufgelöst. Auch an anderen amerikanischen Universitäten hat es bereits zahlreiche Aktionen aus Solidarität mit den Palästinensern gegeben.
Der Bürgermeister von New York City, Eric Adams, sprach von insgesamt etwa 300 Festnahmen an der Columbia-Universität sowie am City College der US-Metropole. Auch an anderen amerikanischen Universitäten hat es bereits zahlreiche Aktionen aus Solidarität mit den Palästinensern gegeben - auch mit Festnahmen. So kam es am Dartmouth College im US-Staat New Hampshire nach Angaben der Polizei der Stadt Hannover zu 90 Festnahmen. Ihnen wurde unerlaubtes Betreten und Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen, nachdem unerlaubterweise Zelte auf dem Gelände errichtet worden waren. Bei den Festgenommenen handelte es sich laut Polizei nur zum Teil um Dartmouth-Studierende oder Lehrende.
In Dallas nahm die Polizei bei der Räumung eines Protestcamps auf dem Gelände der Universität von Texas mindestens 20 Menschen in Gewahrsam, die die Nacht im Gefängnis verbringen sollten, wie der Sender Fox4 berichtete.
Lage eskalierte auch an anderen Universitäten
Eine zunächst friedlich begonnene Demonstration auf ihrem Gelände sei ausgeartet, teilte auch die Stony Brook Universität in New York mit. Zelte seien errichtet, andere Studierende eingeschüchtert und belästigt worden. 29 Protestierende seien daraufhin festgenommen worden, darunter neben Studierenden und Mitarbeitern demnach auch Nicht-Angehörige der Hochschule.
Grund der Proteste und Zusammenstöße ist der Krieg im Gazastreifen zwischen Israel und der militanten, radikal-islamischen Palästinenser-Organisation Hamas. Kritiker werfen insbesondere dem radikalen Teil der Protestbewegung Antisemitismus und die Verharmlosung der Hamas vor - sie spricht Israel das Existenzrecht ab und hat den Gaza-Krieg mit einem beispiellosen Massaker am 7. Oktober ausgelöst. Ihnen gegenüber stehen vielerorts Proteste, die sich mit der israelischen Seite solidarisieren und eine Freilassung der von der Hamas noch immer gefangengehaltenen Geiseln fordern.
Das US-Repräsentantenhaus stimmte inmitten der pro-palästinensischen Uni-Proteste für eine Erweiterung der rechtlichen Definition von Antisemitismus. Die Abgeordneten votierten am Mittwoch für einen parteiübergreifenden Entwurf, der vorsieht, dass das Bildungsministerium sich künftig an der Antisemitismus-Definition der Internationalen Allianz für Holocaustgedenken (IHRA) orientiert.
Demnach ist Antisemitismus „eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“ Es sei auch eine Form von Antisemitismus, dem jüdischen Volk das Recht auf Selbstbestimmung abzuerkennen, etwa „durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen“, heißt es in der Definition der IHRA.
Der Gesetzentwurf muss nun noch vom Senat verabschiedet werden. Kritiker des Vorhabens, darunter die Bürgerrechtsorganisationen ACLU, warnen vor einer Einschränkung der freien Meinungsäußerung. Die Befürworter des Gesetzes argumentieren hingegen, es könne zur Bekämpfung von Hass auf dem Campus beitragen.