Wie aus dem Textentwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, hervorgeht, soll die Freigabe nur für Entwicklungsländer gelten, die 2021 nicht mehr als zehn Prozent ihrer Impfdosen exportiert haben. Das könnte auf Indien und China zielen, die beide als Entwicklungsländer in der WTO sind. Die 164 WTO-Mitglieder müssen dem Kompromiss noch zustimmen. In der WTO wird im Konsens entschieden.
Der Sprecher der UNO-Handelsbeauftragten Katherine Tai schrieb auf der Webseite ihres Büros: "Der schwierige und langwierige Prozess hat zu einem Kompromiss geführt, der den vielversprechendsten Weg zu einem konkreten und sinnvollen Ergebnis darstellt." Die EU-Kommission teilte auf Anfrage mit, dass noch Abstimmungen zwischen den EU-Ländern liefen.
Mit einer Patentaufhebung sollen Hersteller in ärmeren Ländern in der Lage sein, selbst Corona-Impfstoffe herzustellen. Die Pharmaindustrie hatte argumentiert, die Produktion sei viel zu kompliziert, sie habe alle infrage kommenden Partner bereits selbst eingebunden, und es werde inzwischen ohnehin ausreichend Impfstoff hergestellt.
Die vorläufige Einigung wurde nach monatelangen Verhandlungen darüber erzielt, wie die Produktion von Corona-Impfstoffen in Entwicklungsländern beschleunigt werden kann. Dort liegen die Impfraten weit hinter denen wohlhabender Länder zurück. Die Debatte kam auf, nachdem die USA im vergangenen Frühjahr angekündigt hatte, dass sie einen vorübergehenden Verzicht auf geistige Eigentumsrechte in Bezug auf Impfstoffe und medizinische Produkte gegen Corona unterstützen würde. Viele Länder und Nicht-Regierungsorganisationen hatten kritisiert, dass die Hersteller von Corona-Impfstoffen ihre Patente nicht freigeben, um einen weltweit besseren Zugang zu den Vakzinen zu erreichen. Die Impfstoff-Hersteller setzen dagegen auf einen Transfer ihrer Technologien und Partnerschaften.
Die EU und andere Länder hatten den Vorschlag von Indien und Südafrika von Ende 2019, den Patentschutz vorübergehend aufzuheben, monatelang blockiert. Sie argumentierten, Pharmahersteller könnten nur dann Geld in Pharmaforschung investieren, wenn ein robuster Patentschutz ihnen im Falle eines Erfolgs auch Einnahmen garantiert.
Dazu sagte Anna Cavazzini, Abgeordnete der Grünen/EFA im Europaparlament: "Es ist ein Armutszeugnis für die EU, dass es so lange Pandemie braucht, um diesem Vorschlag zuzustimmen." Sie rief die WTO-Mitgliedsländer auf, den Kompromiss so schnell wie möglich anzunehmen. Zudem sollte der Patentschutz auch für Covid-Medikamente aufgehoben werden.
"Dieser Vorschlag ist zu wenig. Er ist lediglich ein Eingeständnis, dass die WTO-Regeln für geistiges Eigentum den gerechten und leistbaren Zugang zu medizinischer Versorgung behindern. Fatalerweise hat es für diese Erkenntnis zwei Jahre gedauert und Millionen Tote bedurft", kritisierte Alexandra Strickner von Attac Österreich in einer Aussendung. Der Vorschlag sei für Attac nicht ausreichend, um einen gerechten Zugang zu medizinischer Versorgung für alle Menschen zu gewährleisten. "Die TRIPS-Verzichtserklärung ist, soweit bekannt geworden ist, schwach, zwei Jahre zu spät und vorerst nur auf Impfstoffe und eine begrenzte Anzahl von Ländern beschränkt", betonte Petra Bayr, die SPÖ-Bereichssprecherin für globale Entwicklung. "Aber es ist ein kleiner und wichtiger Schritt zur Stärkung der globalen Gesundheit gegenüber der Macht der Pharmakonzerne."