Haftars Libysche Nationale Armee (LNA) rückt seit Donnerstag auf die Hauptstadt vor, in der die Einheitsregierung von Ministerpräsident Fajes al-Sarraj ihren Sitz hat. Daraufhin starteten die Regierungstruppen eine Gegenoffensive unter dem Titel "Vulkan der Wut". Ziel sei es, alle Städte von "unrechtmäßigen Kämpfern" zu befreien, sagte ihr Sprecher Mohammed Gnunu.
Bereits am Samstag waren Haftars Einheiten etwa 50 Kilometer südlich der Hauptstadt aus der Luft angegriffen worden. Das Flugzeug sei in der westlibyschen Stadt Misrata gestartet, erklärte die LNA.
Die Kämpfe um Tripolis waren nach einer nächtlichen Pause wieder aufgeflammt. Das Gesundheitsministerium in Tripolis sprach von mindestens 21 Toten und 27 Verletzten seit Donnerstag, ließ dabei aber offen, ob unter den Toten auch Zivilisten waren. Der libysche Rote Halbmond hatte am Samstag von einem getöteten Arzt berichtet.
Ein Aufruf der Vereinten Nationen zu einer zweistündigen Waffenruhe ist gescheitert. "Es hat keine Waffenruhe gegeben", sagte der Sprecher der UNO-Mission in Libyen, Jean Alam. "Aber wir hoffen weiter auf eine positive Antwort" der Konfliktparteien. Die Feuerpause sollte von Rettungskräften genutzt werden, um Verletzte und Zivilisten in Sicherheit bringen. Wegen der unsicheren Lage zog das US-Militär nach eigenen Angaben eine ungenannte Zahl von Soldaten aus Libyen ab. Die Sorge vor einem erneuten Bürgerkrieg wächst.
Ministerpräsident Sarraj hatte Haftar vor einem "Krieg ohne Gewinner" gewarnt und gesagt, aus zahlreichen Regionen würden zusätzliche Einheiten in der Hauptstadt zusammengezogen. Auch kriegserprobte Kämpfer aus Sentan und aus Sawija, die bereits am Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi beteiligt waren, stießen hinzu.
Einwohner von Tripolis richteten sich auf einen längeren Kampf um die Stadt ein. An Tankstellen und Supermärkten bildeten sich Schlangen. "Wir müssen jetzt alles horten, was man braucht", sagte eine Frau in einem Supermarkt in der Hauptstadt. "Man weiß ja nie, was geschieht."
Seit der Militärintervention der NATO in Libyen und dem Sturz des Machthabers Gaddafi im Jahr 2011 herrscht in dem nordafrikanischen Land Chaos. Die Regierung in Tripolis ist schwach und hat weite Teile des Landes nicht unter Kontrolle.
Haftar unterstützt mit seinen Truppen eine Gegenregierung, die im Osten Libyens herrscht. Ihm war es in der Vergangenheit gelungen, mit einer Reihe erfolgreicher Militäreinsätze den Osten und große Teile des Südens Libyens unter seine Kontrolle zu bringen. Experten halten es aber für möglich, dass er sich nun mit der Offensive auf Tripolis übernimmt.
Trotz der Kämpfe will die UNO nach eigenen Angaben an einer für Mitte April geplanten Allparteienkonferenz festhalten. Zu ihr werden in der Stadt Ghadames mehr als hundert Delegierte erwartet, die Termine für Parlaments- und Präsidentschaftswahlen festlegen sollen.