Guten Morgen,
wir können hier ja offen reden. Eine Woche vor Weihnachten hatten wir mit den neuen politischen Machthabern in der Steiermark unseren ersten, sagen wir, mittelschweren Konflikt. Der Autor und Zusteller der heutigen Morgenpost hatte sich in einem ZiB-2-Interview mit Armin Wolf kritisch zur Verstrickung der freiheitlichen Landespartei in die Grazer Finanz-Affäre geäußert, aber noch viel kritischer zum Bedeutungsverlust der narkotisierten steirischen ÖVP und ihrem Ringen um die Restbestände an Selbstwert. Die blaue Parteispitze, die wenige Tage später bei der Angelobung im Landtag betonte, wie wichtig ihr in der neuen Rolle ein kritisches Gegengewicht sei, reagierte stilistisch in altbewährter Manier: Ein bereits fix in Aussicht gestelltes, erstes Interview wurde kurzerhand zurückgezogen und zeitlich - an der Konkurrenz vorbei - nach hinten gereiht. Als Begründung hieß es, man habe es als respektlos empfunden, dass der Chefredakteur als Besucher der Angelobung nicht wie andere Anwesende post festum den Sitzungssaal betreten und dem „Herrn Landeshauptmann persönlich gratuliert“ habe.
Trotz reicher Erfahrung auf dem weiten Feld exzentrischer politischer Machtentfaltung reagierten wir einigermaßen perplex auf die höfische Erwartungshaltung und lehnten den späten Ausweichtermin für das Interview ab. Zum einen aus Gründen redaktioneller Selbstachtung, zum anderen, weil eine Zustimmung eine Einwilligung in einen lächerlich-repressiven Züchtigungsversuch gewesen wäre. Der Autor griff kurz vor Weihnachten, versöhnlich gestimmt, zum Hörer und legte in einem direkten Gespräch mit Mario Kunasek die Gründe für das Nein der Redaktion dar. Vor allem gab er zu verstehen, dass ein Übertreten der Schwelle zwischen Auditorium und Sitzungssaal völlig unangemessen und mit unserem Rollen- und Selbstverständnis unvereinbar gewesen wäre.
Der Landeshauptmann war um Glättung bemüht und erklärte die freiheitliche Reaktion mit Funktionärs-Druck „aus den hinteren Reihen“. Er sei an einem „korrekten Arbeitsverhältnis“ unter Achtung der unterschiedlichen Rollen interessiert und wolle daran gemessen werden. Auf den Begriff einigten wir uns, tauschten Weihnachtswünsche aus und vereinbarten ein Reset in den Beziehungen, konkret: ein Interview im Vorfeld der ersten Regierungsklausur nach Neujahr. „Korrektes Arbeitsverhältnis“, das klang okay und heißt übersetzt für uns: ein unbefangenes, differenziertes Bewerten und Einordnen der politischen Agenda, frei von Aufwallungen. Das taten wir dann auch. Das Handyverbot im Unterricht finden wir gut und richtig, den Hymnen-Konflikt mit Slowenien mutwillig, retro und peinlich, und die Anreize für migrantische Milieus, ihre drei- und vierjährigen Kinder über eine allgemeine häusliche Verlängerungsprämie daheim zu behalten, statt ihnen im Kindergarten so früh wie möglich die deutsche Sprache nahezubringen, integrationspolitisch grottig und frauenpolitisch abwegig. An diesen Markierungen entlang verlief die Kommentierung.
Das nachgeholte Interview fand gestern Nachmittag im neu bezogenen Landeshauptmann-Büro in der Grazer Burg statt, am Vortag der blau-schwarzen Regierungsklausur im südsteirischen Seggauberg. Auf dem Boden im Vorzimmer mächtige Kartons, eine neue Bogenlampe, die für „weiches Licht“ bei Fernseh- und Social Media-Aufnahmen sorgen soll. Die Wände sind kahl, da und dort ragen die alten Haken der abgehängten Kunstbilder hervor. Ein schmuckloser, abgeräumter Christbaum sei am ersten Tag dagestanden, viel mehr aus der Verlassenschaft habe man nicht vorgefunden. Nur das Gemälde vom roten Erzberg, das hänge schon immer dort. Ein blauer steirischer Panther statt dem grünen steht neben den Akten auf dem Schreibtisch, E-Zigaretten, das verborgene Laster, das erst ins Blickfeld darf, nachdem der Fotograf den Raum verlassen hat. Sonst jede Menge militärische Accessoires, abgestaubte Geschenke aus der Ministerzeit: ein Splitterkreuz vom Golan, gefertigt aus Granatresten, ein silberner, langer Säbel, in Watte gebettet, eine Militärkappe, der ausgeschnittene Teil eines Rotorblattes, Erinnerung an die Alouette-Übergabe im steirischen Aigen, dazwischen Farbzeichnungen des fünfjährigen Sohnes und eine grüne Fanmütze der New York Jets. Die Bilder für die leeren Wände kämen erst später, vielleicht was Zeitgenössisches als Leihgabe wie unter dem Vormieter Christopher Drexler, da brauche er Geleitschutz, wie Mario Kunasek freimütig einräumt.
Im Gespräch bleibt er seinem Markenprofil treu und gibt sich gemäßigt und integrativ. Das Konzept ist klar und evident: Hier besetzt einer den Raum der steirischen ÖVP und wird den Hegemonialanspruch so schnell nicht freigeben. Das Novum einer blau-schwarzen Regierung findet der erste steirische FP-Landeshauptmann „alternativlos“; zu Sky Shield könne er aus militärischer Sicht Ja sagen, ein längerer Grundwehrdienst sei ein Gebot. Die Regentschaft werde dieses Mal kein Fall akuter Selbstgefährdung sein, man sei als Partei gereift und stehe personell gefestigter da im Vergleich zu früher, als politische Verantwortung und Implosion Hand in Hand gingen.
Das Gespräch unter Mitwirkung meines Kollegen Ernst Sittinger ist Aufmacher und findet sich auf den Seiten 4/5, und über die ruppige Vorgeschichte wissen Sie jetzt auch Bescheid. Wir finden das gut so.
Eine anregende Lektüre wünscht