Zweieinhalb Wochen nach dem Verschwinden des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi hat Saudi-Arabien erstmals zugegeben, dass der Kritiker des Königshauses im Konsulat in Istanbul getötet wurde. Er sei ums Leben gekommen, nachdem es zu einem Kampf mit Personen gekommen sei, die er in dem Konsulat getroffen habe, erklärte die Staatsanwaltschaft in Riad am Samstag.

Ein Streit zwischen Khashoggi und Männern im Konsulat habe sich zu einer "Schlägerei" entwickelt, "die zu seinem Tod führte", erklärte der saudi-arabische Generalstaatsanwalt Scheich Saud al-Modsheb am Samstag.

Trump: "Großartiger Verbündeter"

König Salman ordnete staatlichen Medien zufolge an, den stellvertretenden Geheimdienstchef Ahmed Assiri und den Königshaus-Berater Saud al-Kahtani, der als rechte Hand von Kronprinz Mohammed bin Salman gilt, ihrer Posten zu entheben. US-Präsident Donald Trump sagte, er halte die Erklärung für glaubwürdig. Er sprach von einem "guten ersten großen Schritt". Saudi-Arabien sei ein "großartiger Verbündeter".

Die Staatsanwaltschaft teilte mit, die Ermittlungen liefen noch. 18 saudische Staatsbürger seien festgenommen worden. Kronprinz Mohammed bin Salman ordnete Medienberichten zufolge die Bildung eines Ministerialkomitees an, das den Geheimdienst umbauen solle. Ein mit den Ermittlungen vertrauter Vertreter Saudi-Arabiens sagte, der Kronprinz habe nichts von einem Einsatz gegen Khashoggi gewusst. Ganz sicher habe er auch keine Entführung oder Ermordung angeordnet.

Kneissl: "Der Gipfel des Horrors"

Österreichs Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) sprach nun in einer Aussendung davon, der Fall Khashoggi sei "nur der Gipfel des Horrors". Kneissl: "Wir beobachten die Lage von Regierungskritikern in Saudi-Arabien mit großer Sorge." Ein derart gravierender Vorfall dürfe nicht ohne Konsequenzen bleiben, insbesondere auch was die Beziehungen der EU mit Saudi-Arabien anbelangt. In den letzten zwei Jahren sei es zu einer massiven Verschlechterung der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien gekommen und zu einer stark steigenden Zahl politischer Häftlinge, wie Karin Kneissl bereits im Außenpolitischen Ausschuss des Nationalrates erklärt hatte. So seien etwa Anfang Juni zahlreiche Frauen verhaftet worden, deren einziges Verbrechen die Teilnahme an Kongressen war. Die Außenministerin zeigte Verständnis für die bereits von Vertretern der Opposition geäußerte Kritik am Dialogzentrum KAICIID. "Ich verstehe vollkommen, dass in dieser Situation die Diskussion um das Zentrum erneut beginnt", so Karin Kneissl. Auch innerhalb der Regierung gäbe es Kritik an der Konstruktion. Die Außenministerin lässt derzeit die Rechtslage betreffend das Zentrum prüfen. "Wir sind dazu mit allen wesentlichen Akteuren in Kontakt", so Karin Kneissl.

Vorwürfe zunächst zurückgewiesen

Khashoggi war am 2. Oktober in das saudische Konsulat in Istanbul gegangen, um Dokumente für seine bevorstehende Hochzeit zu bekommen. Seitdem galt der Kolumnist der "Washington Post" als vermisst. Doch rasch kam der Verdacht auf, dass Khashoggi umgekommen sein könnte. Die türkischen Behörden gingen davon aus, dass er in dem Konsulat getötet und seine Leiche fortgeschafft wurde. Saudi-Arabien wies die Vorwürfe zunächst zurück und erklärte, der Journalist habe das Konsulat kurz nach seinem Besuch wieder verlassen.

Zahlreiche Absagen bei Konferenz

Zuletzt nahm der Druck auf das Königshaus jedoch zu, für Aufklärung zu sorgen. Zahlreiche westliche Staaten, darunter Deutschland, forderten dies. Die türkischen Behörden hatten zudem ihre Ermittlungen mit Verhören und Durchsuchungen zunehmend ausgeweitet und nach der Leiche gesucht. Deren Verbleib ist nach wie vor unklar. Zudem sagten zahlreiche führende Wirtschaftsvertreter und ranghohe Politiker ihre Teilnahme an einer bevorstehenden internationalen Investorenkonferenz in Riad ab.

US-Präsident Donald Trump schloss vor der Bestätigung von Khashoggis Tod am Freitag nicht aus, dass Sanktionen verhängt werden könnten, auch wenn Saudi-Arabien ein wichtiger Verbündeter sei. Nachdem Saudi-Arabien Khashoggis Tod dann doch einräumte, sagte er während eines Aufenthalts in Arizona zu Journalisten, er glaube nicht, dass die Führung in Riad ihn angelogen habe. Was passiert sei, sei aber inakzeptabel. Er werde mit dem Kronprinzen den Fall besprechen. Trump sprach sich jedoch dagegen aus, als Konsequenz Waffengeschäfte zu streichen. Im Falle von US-Sanktionen gegen Riad würde er es vorziehen, "dass wir als Strafe nicht Arbeit im Wert von 110 Milliarden Dollar annullieren", sagte der US-Präsident in Arizona mit Verweis auf ein großes Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien. Es sei "zu früh, um zu sagen", wie die USA reagieren.

Kritische Töne aus dem Kongress

Deutlich kritischere Töne kamen dagegen aus dem US-Kongress, den Trump in die Entscheidung über eventuelle Maßnahmen gegen Saudi-Arabien einbinden will. "Zu sagen, ich sei skeptisch, was die neue saudische Erzählung zu Herrn Khashoggi angeht, ist eine Untertreibung", sagte etwa der republikanische Senator Lindsey Graham. Sein demokratischer Kollege Richard Blumenthal sagte zu CNN, die Erklärung aus Saudi-Arabien trotze jeglicher Glaubwürdigkeit. Er forderte eine internationale Untersuchung.

Der Abgeordnete Eliot Engel, der ranghöchste Vertreter der Demokraten im Auswärtigen Ausschuss des Repräsentantenhauses, teilte mit: "Die Erklärung der saudischen Behörden von heute Nacht ist einfach nicht glaubwürdig, besonders, weil sich die Geschichte in den vergangenen Tagen so stark geändert hat." Er forderte die US-Regierung auf, Druck für eine "gründliche und transparente Untersuchung" auszuüben. Der US-Kongressabgeordnete Eric Swalwell hat Saudi-Arabien aufgefordert, den Verbleib der Leiche des Journalisten aufzuklären. "Wo ist die Leiche?", schrieb der demokratische Abgeordnete, der im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses sitzt, auf Twitter. Khashoggis Familie stehe es zu, sofort die sterblichen Überreste des Regimekritikers in ihre Obhut nehmen zu können.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte "zutiefst beunruhigt" über den gewaltsamen Tod Khashoggis, wie sein Büro mitteilte. Guterres bekräftigte die Notwendigkeit einer "unmittelbaren, gründlichen und transparenten Untersuchung" der Todesumstände.

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