Es ist eine breite Palette von Projekten, mit denen die Republik Österreich in den vergangenen zwei Jahrzehnten versuchte, die humanitäre Lage in den palästinensischen Gebieten zu verbessern. Der Schwerpunkt der heimischen Entwicklungszusammenarbeit liegt beim Ausbau der Wasserversorgung, der Gesundheitsförderung sowie der Stärkung von Frauen. Es floss aber auch Geld für Bildung, Städtebau und in Projekte zur israelisch-palästinensischen Verständigung wie bei der Radiostation "All for peace", die von Ramallah aus auf Arabisch und Hebräisch sendete.

Als Reaktion auf den dschihadistischen Angriff aus Gaza auf Israel wird die Republik Österreich vorerst aber sämtliche Zahlungen im Rahmen dieser Entwicklungszusammenarbeit stoppen. Das kündigte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Montag an, man werde "alle Projekte auf den Prüfstand stellen und evaluieren". Betroffen davon sind laufende und geplante Vorhaben in der Größenordnung von rund 18,8 Millionen Euro, der Großteil für Projekte der UNO.

Palästina-Botschafter schockiert

"Das Ausmaß des Terrors ist so entsetzlich. Das ist ein derartiger Bruch, dass man nicht zur Tagesordnung übergehen kann", sagte Schallenberg im Ö1-"Morgenjournal". Mehr als die Hälfte der noch offenen Beträge entfällt auf Zahlungen an das UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten, UNRWA. Dessen Generalkommissar Philippe Lazzarini war erst im Juni in Wien zu Besuch bei Schallenberg, der in einer Aussendung von UNRWA wie folgt zitiert wurde: "Österreich wird seine Unterstützung fortsetzen, damit die Agentur ihrem Mandat nachkommen und die Region weiter stabilisieren kann."

Der Vertreter Palästinas in Wien, Salah Abdel Shafi, zeigte sich über die Ankündigung bestürzt: "Dieser Schritt bedeutet eine kollektive Bestrafung für die palästinensische Bevölkerung und unterstützt Israels aggressive Politik gegen die palästinensische Zivilbevölkerung. Wir hoffen, dass die österreichische Bundesregierung diesen Beschluss revidiert, denn die internationale Entwicklungszusammenarbeit ist eine wichtige Säule der Stabilität in dieser Region."

Neben der UNO mit diversen Programmen ist auch Care Österreich vom Zahlungsstopp betroffen sowie die Evangelische Frauenarbeit in Österreich mit einem kleineren Projekt. Care warnt in einer Aussendung davor, dass sich die "ohnehin schon prekäre humanitäre Lage" der Zivilbevölkerung weiter verschärfen könnte. Man appelliert hier an die Bundesregierung, die Prüfung rasch durchzuführen.

Auch EU setzt Zahlungen aus

Seit 2004 wickelt die Austria Development Agentur die Entwicklungs-Förderungen ab. In diesem Zeitraum sind aus Österreich für 141 Projekte insgesamt rund 98 Millionen Euro in die palästinensischen Gebiete geflossen oder vergeben worden. Die dahinterliegende Strategie der Republik ist auf die "nachhaltige Förderung des Friedens und die Unterstützung der Zivilbevölkerungen ausgerichtet", wie es aus dem Außenministerium heißt. Die angestrebte Verbesserung der Lebensqualität der Menschen in Gaza und im Westjordanland sollte indirekt auch dem Magnetismus des Terrors entgegenwirken.

Die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten werden in Österreich nun offenbar als Scheitern dieser Strategie beurteilt. Doch nicht nur hierzulande werden Hilfszahlungen und Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit sistiert. Auch Deutschland prüft und setzt teilweise Zahlungen aus, am Nachmittag kündigte dann auch die EU-Kommission an, alle Zahlungen an die Palästinenser auszusetzen. Das Hilfsportfolio der EU für die Palästinenser umfasst 691 Millionen Euro, im Zeitraum von 2021 bis 2024 waren Zahlungen im Ausmaß von 1,2 Milliarden Euro eingeplant.

Die Europäische Union hatte, wie Österreich und andere Staaten, ab 2004 den völkerverbindenden Radiosender "All for peace" mit arabischen und jüdischen Journalisten und Moderatoren unterstützt. Sieben Jahre später wurde die Schließung der Radiostation von Israel erzwungen. Die politische Linke warf der Netanjahu-Regierung einen Angriff auf die Meinungsfreiheit vor, der regierende Likud sprach damals von einem "linksradikalen Sender", dessen Hetze verboten werden müsse. Abertausende Euro an Förderungen aus Europa wurden damit auch versenkt.