Im Falle der Volksbefragung zum letztlich gescheiterten Skigebietzusammenschluss Pitztal-Ötztal in Tirol sind drei wegen Missbrauchs der Amtsgewalt angeklagte Mitglieder der Wahlbehörde am Dienstag am Landesgericht Innsbruck zu bedingten Haftstrafen verurteilt worden. Der Erst- sowie Drittangeklagte erhielten zwölf Monate bedingt, der Zweitangeklagte elf Monate. Zusätzlich wurden sie zu Geldstrafen sowie zum Ersatz der Verfahrenskosten verdonnert.

Wahlkarten für Dritte vorausgefüllt

Die Urteile waren vorerst nicht rechtskräftig. Den Angeklagten war vorgeworfen worden, Wahlkarten für andere Wahlberechtigte mit "Pro-Stimmen" ausgefüllt zu haben. Während die Staatsanwaltschaft vor dem Schöffensenat Schuldsprüche forderte, plädierten die Verteidiger auf Freisprüche für ihre Mandanten. Die Beschuldigten hatten sich im Prozess nicht schuldig bekannt.

Die drei Männer sollen sich laut Anklage von 17 Wahlberechtigten die Ermächtigung geholt haben, in deren Namen Wahlkarten von der Gemeinde abzuholen. Die Wahlberechtigten erhielten die Wahlkarten dann jedoch nie, warf die Staatsanwaltschaft Innsbruck den Beschuldigten vor. Die Angeklagten sollen die Wahlkarten vielmehr eigenmächtig ausgefüllt und für den Zusammenschluss gestimmt haben. Dann sollen sie die Wahlkarten in ihrer Funktion als Teil der Wahlbehörde in das Wahlergebnis miteinbezogen haben bzw. durch andere - redliche - Mitglieder miteinbeziehen haben lassen.

Betrug um Volksbefragung

Diesen in der Anklageschrift erhobenen Vorwurf wiederholte die Staatsanwaltschaft am Dienstag vor dem Schöffensenat. Dadurch sei auch die Gemeinde St. Leonhard im Pitztal um die Durchführung einer rechtmäßigen Volksbefragung betrogen worden. Die von den Wahlberechtigten erteilten Befugnisse hätten die Angeklagten, bekennende Befürworter des Skigebietszusammenschlusses, "wissentlich missbraucht" und den Wahlberechtigten gegenüber eine "Drucksituation" aufgebaut, so die Staatsanwältin. Selbst wenn diese Zustimmung zur "Gletscher-Ehe" signalisiert hätten, sei es nicht ausgeschlossen, dass sie bei einer geheimen Wahl dann anders abgestimmt hätten.

Im Schlussplädoyer sah die Staatsanwältin praktisch ein Tatsachengeständnis durch die Angeklagten gegeben. Die Wahlwerbung für die "Gletscher-Ehe" werde ihnen nicht zur Last gelegt, aber spätestens nach Erhalt der Wahlkarten hätten diesen klar sein müssen, dass ihr Vorgehen rechtlich nicht gedeckt sei. Dort sei klar festgehalten, dass die Unterschrift der Wahlberechtigten selbst geleistet werden müsse. "Die Demokratie lebt vom Wahlrecht", betonte die öffentliche Anklägerin. Durch Vorgänge wie diese werde die Akzeptanz der Demokratie weiter geschwächt. Deshalb verwies sie auch auf die generalpräventive Wirkung des geforderten Schuldspruchs.

Angeklagte plädieren auf "nicht schuldig"

Die drei Angeklagten sagten am Landesgericht getrennt voneinander aus. Alle drei bekannten sich "grundsätzlich nicht schuldig". Während der Erst- und Zweitangeklagte einräumten, Wahlkarten selbst ausgefüllt und unterschrieben zu haben, wies der Drittangeklagte alle Vorwürfe zurück. Der Erst- und Zweitangeklagte wollten jedoch im Glauben und nach Rückversicherung, das im Sinne der jeweiligen Wahlberechtigten zu tun, gehandelt haben. Beide seien der Meinung gewesen, dass dieses Vorgehen durch die Vollmacht gedeckt gewesen sei. Dass dies rechtlich nicht in Ordnung sein könnte, sei ihnen zum entsprechenden Zeitpunkt "nicht bewusst" gewesen, erklärten die beiden Beschuldigten.

Die Verteidiger der Angeklagten stellten unisono einen wissentlichen Gesetzesbruch durch ihre Mandanten in Abrede. Diese wollten, angesichts der Politikverdrossenheit verständlicherweise, möglichst viele Menschen zur Stimmabgabe motivieren. Die Wahlberechtigten wären dann "heilfroh" gewesen, ohne Aufwand abstimmen zu können, verwies der Anwalt des Erst- und Zweitangeklagten auf vorherige Zeugenaussagen. Der Anwalt des Drittangeklagten beharrte indes auf eine andere Beurteilung des Handelns seines Mandanten. Dieser habe keine Unterschriften gefälscht, sondern nur Wahlkarten übernommen, verteilt und wieder zurückgebracht. Eine bewusste Absprache zwischen den Angeklagten stellte er ebenso in Abrede wie Vorsatz.

Befragung mit knappen Ausgang

Die Volksbefragung über das Projekt "Skigebietszusammenschluss Pitztal-Ötztal" hatte am 17. Juli 2022 mit einer knappen Ablehnung geendet. Auf die Frage "Soll der Skigebiet Zusammenschluss Pitztal-Ötztal gebaut werden?", hatten 353 Stimmberechtigte in St. Leonhard mit "Nein" (50,36 Prozent), 348 (49,64 Prozent) mit "Ja" gestimmt (Wahlbeteiligung: 59 Prozent). Gleich darauf hatten die Verantwortlichen der Pitztaler Gletscherbahn erklärt, das Interesse an der Fortführung des Projektes verloren zu haben. Nach Anklageerhebung wurde seitens der Gemeinde St. Leonhard im Pitztal erneut betont, dass das Projekt abgesagt bleibe.