Die Präsidenten der vier Oberlandesgerichten (OLG) urgieren in einem Schreiben an Kanzler und Vizekanzler erneut die Nachbesetzung der Leitung des Bundesverwaltungsgerichts. Amtsinhaber Harald Perl war im Vorjahr in Pension gegangen, seither ist die Stelle vakant. "Dies stellt unseres Erachtens - ebenso wie die offenbare Verknüpfung mit der Besetzung der Leitung der Bundeswettbewerbsbehörde - einen groben Missstand in unserer Republik dar", so die OLG-Präsidenten.

Regierung wird nicht tätig

Bereits Ende April hatten diese einen Appell an die Regierungsspitze gerichtet, die Stelle Perls endlich nachzubesetzen. "Bleibt die Spitze eines Gerichts über einen längeren Zeitraum unbesetzt, stellt dies schon für sich allein genommen einen Fehler im System dar. Dieser Missstand wiegt umso schwerer, wenn davon das Bundesverwaltungsgericht als größtes österreichisches Gericht und Kontrollinstanz der Bundesverwaltung betroffen ist", schreiben sie nun. Es liege in der Verantwortung der Vollziehung, alle erforderlichen Maßnahmen zu setzen, um die an der Spitze der Gerichte tätigen Organe rechtzeitig zu bestellen. "Parteipolitische Überlegungen sind dabei auszuklammern."

Der Dachverband der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter verwies in diesem Zusammenhang auf den Anfang Juli vorgestellten Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission. Dort war Österreich dafür kritisiert worden, dass nach wie vor die Richterschaft nicht in die Bestellung der Leitungsfunktionen der Verwaltungsgerichte eingebunden ist. "Wir plädieren dafür, dass die Besetzungsverfahren der Präsidenten aller Verwaltungsgerichte nach europäischem Vorbild ausgerichtet werden und den Besetzungsvorschlägen größeres Gewicht eingeräumt werden sollte", so Sprecher Markus Thoma zur APA. Durch die Beteiligung der Richterschaft würde dies passieren.

Perl war bereits am 1. Dezember 2022 in Pension gegangen. Aus einem Auswahlverfahren für seine Nachfolge war dann dem Vernehmen nach die Vorsteherin des Bezirksgerichts Floridsdorf und Chefin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, als bestgereihte Kandidatin hervorgegangen. Das laut Gesetz zuständige Beamtenministerium arbeitete dann einen Ministerratsvortrag aus, der allerdings das Gremium noch nicht passiert hat - die Grünen machten zuletzt die ÖVP dafür verantwortlich.

Blockade bei Bundeswettbehörde

Dies soll damit zu tun haben, dass die Grünen umgekehrt die Bestellung der ebenfalls vakanten Spitze der Bundeswettbewerbsbehörde blockieren. Für diese war wiederum Michael Sachs bei einem Auswahlverfahren als bestgereiht hervorgegangen, was die Grünen per Gutachten anzweifelten. Nach ihrer Ansicht erfüllt Sachs die Anforderungen für den Posten nicht.

Pikantes Detail: Interimistisch wird das Bundesverwaltungsgericht derzeit ausgerechnet von Sachs als dessen Vizepräsident geführt. Und: Laut einem im Vorjahr bekannt gewordenen "Sideletter" der türkis-grünen Bundesregierung für Postenbesetzungen hätte die ÖVP das Nominierungsrecht für den Präsidentenposten am Bundesverwaltungsgericht.

Im Büro von Vizekanzler und Beamtenminister Werner Kogler (Grüne) teile man die Anliegen der OLG-Präsidentinnen und -Präsidenten, hieß es in einer der APA übermittelten Stellungnahme. Die aus den drei Höchstgerichtspräsidentinnen bzw. -präsidenten, Rechtswissenschafterinnen und Rechtswissenschaftern sowie Vertretern von Justizministerium und Kanzleramt bestehende Besetzungskommission habe am 13. Februar ihren Besetzungsvorschlag in gereihter Form übermittelt, die zuständige Sektion im Ministerium daraufhin einen entsprechenden Ministerratsvortrag erarbeitet. Dieser sei dem Koalitionspartner "vor Monaten übermittelt worden und könnte nach positiver Rückmeldung jederzeit im Ministerrat beschlossen werden". Für die Bestellung ist laut Gesetz der Bundespräsident zuständig, der allerdings auf Vorschlag der Regierung handeln muss. Damit muss die Personalentscheidung im Ministerrat beschlossen werden.

Kritik kommt von der SPÖ: "Die Freunderlwirtschaft von Türkis-Grün zeigt bei der Nicht-Besetzung des Bundesverwaltungsgerichtes seine schlimmsten Auswüchse und beschädigt Rechtsstaat und Demokratie massiv", so Justizsprecherin Selma Yildirim in einer Aussendung. "Es ist völlig unverantwortlich das größte Gericht Österreichs aus parteipolitischem Hick-Hack für sieben Monate unbesetzt zu lassen und mit der Besetzung der Bundeswettbewerbsbehörde zu verknüpfen."