Im März stürmten Beamte der Cobra ein Haus in der Donaustadt, das einem Griechen mit russischen Wurzeln gehört. Bei der Hausdurchsuchung fielen den Experten der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) nicht nur Laptops, Handys und Tablets, auf denen mehr als 100.000 Fotos sowie rund zehn Millionen Datensätze abgespeichert waren, in die Hände. Auch eine Splitterschutzweste und ein Signaldetektor waren dabei.

Ermittlungen laufen

Nun wurde bekannt, dass gegen den 39-Jährigen wegen Spionage ermittelt wird. Was allerdings für Verwunderung sorgt: Der Mann befindet sich immer noch auf freiem Fuß, die Staatsanwaltschaft sieht keinen Grund, den Griechen hinter Schloss und Riegel zu setzen. Der mutmaßliche Spion lebt seit Jahren zurückgezogen in Wien, unweit der Lobau, und bezog Sozialhilfe. Sein Vater ist Russe und arbeitete als Diplomat in Österreich und Deutschland für Moskau.

Dass der Mann geheimdienstlich tätig war, darüber bestehen keine Zweifel. Laut Innenministerium war der 39-Jährige nach einer militärischen Spezialausbildung in Russland Mitarbeiter des Militärnachrichtendienstes GRU. Offenbar wurde er auch dabei beobachtet, wie er im Umland von Wien tote Briefkästen befüllt hat. Von 2018 bis Anfang 2022 soll er insgesamt 65 Reisen ins innereuropäische Ausland sowie nach Russland, Weißrussland, die Türkei und Georgien vorgenommen haben. Möglicher Haken an der ganzen Geschichte: Die heimische Justiz kann nur dann gegen einen Agenten vorgehen, wenn Österreich ausspioniert wurde. Operationen gegen andere Länder auf österreichischem Boden sind nicht strafbar.

Ein paar Tausend Spione

Im gegenständlichen Fall soll der Grieche im Umfeld des russischen Überfalls auf die Ukraine Dossiers über die Einstellung der österreichischen Regierung zu den Ereignissen verfasst haben. Auch soll er sich am 24. Februar, am Tag des Überfalls, in Moskau aufgehalten haben. Am Donnerstag soll die DSN der Justiz einen 1200 Seiten umfassenden Bericht über die Aktivitäten des russischen Spions übermittelt haben.

Laut Angaben von Thomas Riegler, der sich seit Jahren mit der Agentenszene befasst und jüngst den Bestseller "Österreichs geheime Dienste" verfasst hat, dürften von den 300 in Wien offiziell akkreditierten russischen Diplomaten rund hundert Personen für den Geheimdienst in Moskau arbeiten. Das ist nicht alles. Hunderte andere Agenten wie eben der Grieche mit russischen Wurzeln leben inkognito in Österreich. Wie groß die in Wien operierende, internationale Agentenszene ist? Riegler geht von "ein paar Tausend Personen" aus.