Im mächtigen SPÖ-Gewerkschaftsflügel scheint die Geduld mit den politischen Querschüssen des roten burgenländischen Landeshauptmanns Hans Peter Doskozil erschöpft. Grund dafür ist der jüngste Vorstoß Doskozils im Gespräch mit der Kleinen Zeitung nach einer Abschaffung Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), die der SPÖ-Landeshauptmann für überflüssig hält. Die ÖVP ortet "Uneinigkeit und Chaos" in der SPÖ.

Doskozil "überschreitet mit seiner Forderung nach Abschaffung der Selbstverwaltung der sozialen Krankenversicherung eine rote Linie", erklärte der Chef der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) Rainer Wimmer. "Wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen für uns, unsere Familien und Pensionisten eine Krankenversicherung, in der die Arbeitnehmer selbst über die Verwendung der von ihnen bezahlten Beiträge bestimmen. Das ist weder Angelegenheit der Wirtschaftskammer noch der Landeshauptleute", so die scharfe Replik des obersten roten Gewerkschafters.Die Sozialversicherung sei "ein wesentliches Kernelement des österreichischen Wohlfahrtsstaats und eine zentrale Errungenschaft der Arbeitnehmerbewegung", zeigte sich Wimmer erzürnt über den Vorschlag aus den eigenen Reihen. Dass er sich mit der Gewerkschaft anlegen würde, war Doskozil wohl bewusst: Man müsse als Partei bereit sein "wenn nötig jenseits von Verpflichtungen und Zwängen, seien es bei uns durch die Gewerkschaft oder bei der ÖVP durch die Bünde" neu zu denken.

"Was niemand braucht, sind weitere unüberlegte politische Eingriffe", findet der rote Gewerkschafter Wimmer hingegen mit Verweis auf die Folgen der türkis-blauen Sozialversicherungsreform, unter der die ÖGK weiterhin leide. "Schon gar nicht, wenn der Plan darauf abzielt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gänzlich zu enteignen. Für aufgeregte Sommerloch-Debatten eigenen sich weniger sensible Themen besser", so Wimmers Botschaft in Richtung Doskozils.

Neun Gesundheitssysteme "können ja nicht das Ziel sein"

Dass der rote Landeschef glaube, die Gesundheitsversorgung des Burgenlands alleine schaffen zu können, sei "ein bisschen grotesk", ließ der rote ÖGK-Obmann Andreas Huss (SPÖ) seinem Parteikollegen bereits am Montag ausrichten. Er ortete einen "patzigen Sager" Doskozils, denn "nach einem ernsthaften Plan klingt das nicht". Offen sei etwa, ob Doskozil nur die ÖGK oder auch die anderen Träger abschaffen wolle und ob er das Sozialversicherungswesen zur Gänze (und damit auch die Pensions- und Unfallversicherung) durch ein staatlich finanziertes Sozialsystem ersetzen möchte.

ÖGK-Obmann Andreas Huss
ÖGK-Obmann Andreas Huss © (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)

Letzteres habe den Nachteil, dass der Mitteleinsatz für das Gesundheitswesen dann immer vom jeweiligen Politiker abhängig sei, im Gegensatz zum Sozialversicherungssystem, in dem das Geld zweckgewidmet sei. Außerdem sei die soziale Krankenversicherung eine Errungenschaft der Arbeitnehmerbewegung, betonte auch der Gewerkschafter Huss, und auch in der Spitalfinanzierung komme nicht alles von den Ländern, sondern zwischen 43 und 48 Prozent von den Beitragszahlern.

"Wenn er sagt, er möchte ein steuerfinanziertes System, über das er im Burgenland alleine entscheiden kann, dann haben wir neun Gesundheitssysteme", so der ÖGK-Obmann: "Das, kann ja nicht das Ziel sein." Auch die Verwaltungskosten wären dann höher. Doskozil sieht das anders: Eine Finanzierung über das Gesundheitsministerium und die Länder machen, "wäre viel effektiver", sagte er gegenüber der Kleinen Zeitung: "Dann braucht man den Riesenapparat der ÖGK nicht. Wir hätten zwischen den Ländern wahrscheinlich längst einheitliche Verträge im niedergelassenen Bereich und den Ärztemangel gelöst".

ÖGK-Reform "nicht das Gelbe vom Ei"

Am allermeisten wundert sich Huss darüber, dass diese Kritik gerade aus dem Burgenland komme, denn dieses habe immer am meisten Geld von den anderen Kassen bekommen, als es noch die Gebietskrankenkassen gab. Auch von der Zusammenlegung in die ÖGK hätten die Burgenländer am meisten profitiert, verwies auf Huss etwa auf die österreichweit angeglichenen Kassenleistungen. Mit Doskozil gesprochen hat SPÖ-Mitglied Huss nicht. Er sei zwar viel in den Bundesländern unterwegs, auch im Burgenland, "aber mit dem Herrn Landeshauptmann hatte ich noch nie die Ehre".

Dass die ÖGK-Reform "nicht das Gelbe vom Ei" gewesen sei, mehr Einfluss der Wirtschaftskammer und Zentralismus gebracht habe und dass die von ÖVP und FPÖ versprochene Patientenmilliarde nicht gekommen sei, treffe auch seinen Unmut, so Huss, "aber den hat er so nicht zum Ausdruck gebracht". Die Frage der Finanzierung aus einer Hand sei eine ganz wichtige Debatte, die man auch im nächsten Finanzausgleich zu führen gedenke, etwa was teure Medikamente betreffe. Auch die spitalsambulante Versorgung sollte gemeinsam geplant und finanziert werden, sagte er - dies sei mit den Gesundheitsreferenten der Länder auch besprochen.

ÖVP ortet "Uneinigkeit und Chaos"

Unterstützung gegen ihren Parteikollegen erhalten die roten Gewerkschafter auch vom ÖVP-Wirtschaftsbund. Generalsekretär Kurt Egger bezeichnete eine Abschaffung der Selbstverwaltung als "absolutes No-Go". In einer Aussendung sprach Egger von einem "populistischen Zwischenruf" Doskozils und nannte die Selbstverwaltung einen "Garant für die Vertretung der Versicherteninteressen". Nur damit sei garantiert, "dass die bezahlten Beiträge für die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher und nicht zum Beispiel für das Stopfen von Budgetlöchern im Burgenland genützt werden."

Der türkise Klub im Parlament ortet hingegen "Uneinigkeit und Chaos" innerhalb der SPÖ. Der ÖVP-Abgeordnete Christoph Zarits ortet in einer Aussendung eine "krause Idee" Doskozils. Dass Wimmer und Huss ihrem Parteikollegen "so deutlich in die Schranken weisen, offenbart einen schweren Konflikt in den Reihen der SPÖ auf dem Rücken der Patient/innen und Versicherten. So darf nicht mit der Gesundheit der Menschen in unserem Land gespielt werden", so Zarits.