Ein "System Pilnacek" konnten Mitglieder der Justiz im U-Ausschuss weiter nicht wahrnehmen. Vorgänge innerhalb der Justiz beschäftigen den ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss aber weiter: ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger will den Spieß diese Woche umdrehen. Bisher allerdings wenig erfolgreich. Die Arbeit aller Staatsanwaltschaften sei "wirklich ausgezeichnet", ließ die Nachfolgerin von Christian Pilnacek keine ernsthafte Kritik an der WKStA gelten. Am Nachmittag ist ein Abteilungsleiter im Justizministerium geladen.
Der türkise Fraktionschef will diese Woche auch dem Koalitionspartner auf den Zahn fühlen: Statt seiner Partei habe die aktuelle Justizministerin Alma Zadić (Grüne) Ermittlungen beeinflusst, sagte Hanger im Vorfeld. Die Ministerin hatte den Leiter der Staatsanwaltschaft (StA) Wien, Johann Fuchs, per Weisung suspendiert, nachdem die StA Innsbruck Ermittlungen gegen ihn eingeleitet hatte. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hob die Suspendierung des hohen Juristen aber auf.
Weisungsrat übergangen
Bei dem Strafantrag gegen Fuchs griff die Justizministerin ebenso ein: Nach verlangten Änderungen des Weisungsrats wies Zadić an, das überarbeitete Vorhaben (eine Anklage gegen Fuchs) nicht mehr dem Expertengremium vorzulegen. Auch Ermittlungen gegen den suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek seien auf Weisung der grünen Ministerin nicht eingestellt worden, so der türkise Fraktionsführer Hanger.
Zum Verständnis: Die Entscheidungen der Justizministerin haben Ermittlungen nicht eingeschränkt, im Gegenteil: Durch das Übergehen des Weisungsrats kann die StA Innsbruck Fuchs schneller anklagen. Das schadet aber dem Leiter der OStA Wien nicht, denn: Fuchs kann vor Gericht die von ihm versicherte Unschuld beweisen. Und sollte die Anklage der Staatsanwaltschaft nicht ausreichend begründet sein, wird sich das ebenso ohnehin zeigen. Für Fuchs und Pilnacek gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.
Arbeit der Staatsanwaltschaften "ausgezeichnet"
Sektionschefin Göth-Flemmich hatte als Vertrauensperson den Abteilungsleiter der Sektion "Einzelstrafsachen", Robert Jirovsky, ausgewählt. Er war zu Beginn des Monats als Auskunftsperson geladen. Der ÖVP-Fraktionsführer Hanger interessiert sich aber ohnehin - wie angekündigt - mehr für Vorgänge innerhalb der WKStA. Da nicht alle Fragen auch im Tätigkeitsbereich von Göth-Flemmich liegen, zitierte sie häufiger aus Akten, als aus ihrer eigenen Wahrnehmung.
Die Weisung von Zadić, den Weisungsrat nicht ein weiteres Mal mit dem Strafantrag gegen Fuchs zu beschäftigen, sei unter anderem geschehen, da das Expertengremium mehrfach geäußert habe, nicht mehrmals mit demselben Thema beschäftigt werden zu wollen, erklärte die Sektionschefin. Mit derselben Begründung hatte auch das Justizministerium selbst die Entscheidung verteidigt.
Ein "System Pilnacek" nahm die Nachfolgerin des Namensgebers nicht wahr. Sie könne aber sagen: Jemand in der Justiz, der sich klar in die eine oder andere Richtung definieren würde, hätte kein Standing. Sie bedaure, "dass die Justiz viel zu lange im Kreuzfeuer der Öffentlichkeit gehalten wird, mit Konflikten, die die Vergangenheit und wenige Leute betreffen". Die Arbeit der Justiz und aller Staatsanwaltschaften sei "wirklich ausgezeichnet", das werde auch sehr genau geprüft. Ihre Funktion bestehe darin, die Staatsanwaltschaften zu unterstützen.
Haben Pilnacek und WKStA ein Kommunikationsproblem?
Am Nachmittag ist mit Gerhard Nogratnig der Leiter der Abteilung für die Personalbesetzungen von Richtern und Staatsanwälten sowie für Dienstrechtliches im Justizministerium geladen.
Beim "Schmuddeldossier" über die WKStA sei er "fast an der Wiege dieses Dokuments" gestanden. Oberstaatsanwaltschaft und Ministeriums hätten sich relativ lange unzufrieden über die Behörde geäußert, vor allem der Tonfall der WKStA sei auf Missfallen gestoßen. Daher habe Fuchs geraten, zu Papier zu bringen, "was euch aufregt". "Mein Bestreben war es, dem eine gewisse Struktur zu geben", so der Beamte.
Die Ursache des Justizstreits zwischen WKStA und Pilnacek sieht er im Verfahren rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Dieses sei jedenfalls nicht so gelaufen, wie sich das Pilnacek "vorgestellt hat". Diese Verstimmung sei dann im Rahmen der Eurofighter-Dienstbesprechung eskaliert: "Zwangsläufig bin ich immer wieder mit Ausläufen dieses Erdbebens befasst gewesen", sagte der Abteilungsleiter. Teil des Problems sei seiner Meinung nach, dass es nie zu einer inneren, organisatorischen Aufarbeitung gekommen sei. "Manchmal ist es ein Kommunikationsproblem", fasste die Verfahrensrichterin zusammen, der Abteilungsleiter widersprach nicht.
"Nachdenken kann man über alles"
Der suspendierte Sektionschef könnte aus Nogratnigs Befragung dienstrechtlich Hoffnung schöpfen. Die Chats zwischen Pilnacek und Fuchs hält der Abteilungsleiter etwa nicht für problematisch: "Nachdenken kann man über alles – auch zu zweit." Außerdem gelte für ihn: "Wenn im Strafrecht nichts rauskommt, ist es im Dienstrecht gelaufen".
Nogratnig sieht auch Parallelen zwischen Pilnaceks Vorschlag, Staatsanwälte zu überwachen und dem Vorhaben der WKStA, Handys von Journalisten zu orten, ohne die Rechtsschutzbeauftragte einzubinden: Beides sei nicht geschehen - und daher für ihn auch dienstrechtlich nicht allzu relevant.
"Nächste Woche geht es weiter mit dem U-Ausschuss"
Man werde heute "Zeuge eines Experiments" der Volkspartei, sagte SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer vor Beginn. Die ÖVP und Hanger wollten zeigen, "dass es total richtig war", dass sich Pilnacek und Fuchs etwa "darüber unterhalten haben, Staatsanwälte überwachen zu lassen" und der Leitende Oberstaatsanwalt Fuchs Pilnacek über eine Anzeige gegen ihn informierte. "Wir denken, das ist nicht richtig", befand der rote Fraktionschef, der bereits in die Zukunft blickte: "Nächste Woche geht es weiter mit dem U-Ausschuss. Da behandeln wir Vorarlberg."
Auch die pinke Fraktionsführerin Stephanie Krisper sah die Notwendigkeit der heutigen Ladungen nicht: "Eigentlich könnten wir schon längst unsere Lehren ziehen aus dem BVT-, Ibiza- und diesem U-Ausschuss", fand sie. Dazu würden von der Regierung eigentlich bis Ende 2020 versprochene Reformen von gläsernen Parteikassen bis zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses gehören, so Krisper.
Für den heutigen Tag wäre wohl die Einsetzung einer Generalstaatsanwaltschaft als Spitze der Weisungskette am relevantesten. Mit einer unabhängigen Weisungsspitze wären Entscheidungen, weiter gegen Personen zu ermitteln oder diese anzuklagen, tatsächlich politisch unumstritten.
Auch Handlungen der aktuellen Justizministerin zu untersuchen, hält die blaue Abgeordnete Susanne Fürst für sinnvoll. Sie trauert allerdings eher jener Auskunftsperson nach, die heute nicht kommt: Nationalratspräsident und U-Ausschuss-Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) ist auf Besuch in Großbritannien, um unter anderem Prinz Charles zu treffen. Zwei "ewige Kronprinzen" seien hier unter sich, urteilte Fürst.
Die FPÖ-Abgeordnete wird als blaue Kandidatin für die Hofburg gehandelt, wie sie selbst bestätigt – will der Entscheidung ihres Parteichefs Herbert Kickl auf Nachfrage aber nicht vorgreifen.