Gleich an zwei Orten müssen Parteitagsregisseure heute zwei unterschiedliche, aber dann auch wieder ziemlich ähnliche Zauberkunststücke vollbringen. Ob in Graz, wo sich die Bundes-ÖVP trifft oder eine Nummer kleiner im burgenländischen Oberwart, wo die Landes-SPÖ zusammenkommt: Beiderorts geht es darum, wie man die eigene Nummer eins glänzen lässt – und eine weitere Figur in der Versenkung verschwinden lässt, deren Anwesenheit droht, sonst alles zu überstrahlen.

In Graz ist das Sebastian Kurz, der Ende vergangenen Jahres zuerst nur „zur Seite“, dann zurückgetretene Star der Volkspartei, der Gefahr läuft, Karl Nehammer bei dessen Wahl zum Parteichef die Show zu stehlen. In Oberwart ist es Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, die mit (bzw.: mit der) Hans-Peter Doskozil oft übers Kreuz war – und deren Präsenz und Verhalten dem Landeshauptmann gegenüber (Gibt es Streit? Applaudiert sie? Eine große Aussöhnung?) weit mehr Aufmerksamkeit erfahren könnte als dessen Rede.

"Der Umgang mit Kurz ist eine Gratwanderung"

„Es sind auf eine gewisse Art schon sehr ähnliche Fälle“, sagt Politikberater Thomas Hofer im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. „Auf jeden Fall ist der Umgang mit Kurz und Rendi-Wagner auf den Parteitagen eine Gratwanderung.“

Denn während die Präsenz von Kurz und Rendi-Wagner auf den Veranstaltungen zwar die Gefahr berge, von den „Stars“ des Tages abzulenken, wäre es genauso verkehrt, wenn sie nicht kommen würden. „Würde Kurz nicht nach Graz anreisen, wäre die Geschichte, er wendet sich von Nehammer ab“ – noch schwieriger wäre es, wenn er im Gegensatz zu anderen Ex-Parteichefs nicht eingeladen worden wäre, sagt Hofer. „Komplett auflösen lässt sich so ein Dilemma nicht“, sagt der Berater – eine Möglichkeit wäre gewesen, Kurz eine Grußbotschaft per Video schicken zu lassen, findet er.

Die ÖVP hat sich anders entschieden und Kurz wie alle anderen ehemaligen Obmänner auch nach Graz eingeladen. Dem Vernehmen nach wird der Altkanzler aber keine Rede halten – das bleibt allein Nehammer vorbehalten –, sondern soll nur einige wenige vorbereitete Fragen von der Moderation gestellt bekommen. „Und dann muss die Regie hoffen, dass die Lautstärkemesser beim Applaus für Kurz nicht stärker ausschlagen als bei jenem für Nehammer“, sagt Hofer.

Rendi-Wagner als einfacher Gast

Auch die SPÖ steht vor einer ähnlichen Herausforderung, wenn Doskozil heute Vormittag nicht nur seines Verhältnisses zur Parteichefin aus Wien wegen wahrgenommen werden will – und versucht eine ähnliche Lösung zu finden: Auch Rendi-Wagner soll nicht eigens auf die Bühne geholt werden, sondern als einfacher Gast wahrgenommen werden.

Überhaupt seien Parteitage und die Inszenierung dort eine schwierige Gratwanderung, sagt die Kommunikationsexpertin (und ehemalige Sprecherin Wolfgang Schüssels) Heidi Glück: Gerade in der ÖVP müsse der Chef penibel darauf achten, jede wichtige Gruppe in der Rede zu erwähnen und ihnen etwas zu bieten: Lehrer, Unternehmer, Bauern usw.

"Nehammer darf niemanden auslassen"

„Wenn eine davon nicht vorkommt, merken die das ganz genau – und lassen es den Parteichef dann über Jahre spüren“, sagt Glück. Auch Hofer betont, dass Parteitagsreden sich zuallererst an die eigenen Leute richten würden: „Es geht darum, den eigenen Funktionären – gerade in dieser schwierigen Zeit – Zuversicht zu vermitteln. Das sind die Multiplikatoren, die in Zukunft für Nehammer laufen sollen – die muss er entflammen“, sagt Hofer.

Darüber hinaus, sind sich die Kommunikationsexperten einig, blieben Parteitagsreden selten in Erinnerung – und auch Wahlergebnisse seien häufig Potemkin’sche Dörfer: Reinhold Mitterlehner holte 2014 mit 99,1 Prozent eins der besten Ergebnisse der Parteigeschichte – genützt hat es ihm nichts.