Politisches Erdbeben in Vorarlberg. Nach Rücktritten im ÖVP-Inseraten-Skandal hat ÖVP-Obmann und Landeshauptmann Markus Wallner "klare Konsequenzen" angekündigt. Die Wirtschaftsbund-Zeitung werde per sofort eingestellt, so Wallner zur APA. Der Wirtschaftsbund werde inhaltlich und personell neu aufgestellt, die Personalunion von Kammerpräsident und Wirtschaftsbund-Obmann soll Geschichte sein. Die Entscheidung der Nachfolge werde "sehr rasch" getroffen.

Zuvor war bekanntgeworden, dass Wirtschaftskammer-Präsident Hans Peter Metzler sowie der Direktor des ÖVP-Wirtschaftsbundes Jürgen Kessler zurücktreten.

Über Jahre soll der Wirtschaftsbund Unternehmen und Innungen gedrängt haben, in eine Mitgliederzeitschrift zu inserieren. Große Summen sollen dann vom Wirtschaftsbund an die Landespartei weitergeleitet worden sein. "Wir wurden auf sehr penetrante Art drangsaliert, Werbung freizugeben", erzählte am Dienstag Michael Stadler, ehemaliger Vizechef der Vorarlberger Tischerinnung, in der ZIB 2.

Bei der Weitergabe der Inseratengelder an die Partei dürfte der Wirtschaftsbund außerdem keine Umsatz- bzw. Körperschaftssteuer gezahlt haben. Der Wirtschaftsbund hat daher Selbstanzeige erstattet, die Finanz prüft.

"Abweichende Beurteilung der Finanzbehörde"

"Der Vorarlberger Wirtschaftsbund hat sich an die gesetzlichen Vorschriften gehalten, insbesondere auch bei allen bisher geleisteten Unterstützungen an die Landespartei", wird in dem gemeinsamen Statement der nun zurückgetretenen ÖVP-Wirtschaftsbündler betont.

Der langjährige Steuerberater des Vorarlberger Wirtschaftsbundes habe fortlaufend die Ansicht vertreten, dass die Tätigkeit des Wirtschaftsbundes unter die üblichen Parteiaktivitäten zu subsumieren und daher keine Umsatz- bzw. Körperschaftssteuer abzuführen sei, wird erklärt. "Nach einer allenfalls von dieser Einschätzung abweichenden Beurteilung der Finanzbehörde wird der Vorarlberger Wirtschaftsbund nach Abschluss des Betriebsprüfungsverfahrens selbstverständlich Rechnung tragen", teilten Metzler und Kessler mit.

Hat Bundes-ÖVP gemeldet?

Die Causa könnte auch für die Bundes-ÖVP unangenehm werden. So sind die Rechenschaftsberichte der Partei aus 2019 und 2020 noch nicht veröffentlicht. Unklar ist, ob die Partei die Einnahmen ordnungsgemäß laut Parteiengesetz gemeldet hat.

Käme das Finanzamt zur Erkenntnis, dass zu wenig Geld abgeführt worden sein, "dann nur, weil man es nicht besser gewusst hat", so der Vorarlberger Landeshauptmann und ÖVP-Landesparteichef Markus Wallner am Dienstag. Sollten interne Zahlungen als steuerpflichtig bewertet werden – "das ist ganz neu aufgetaucht".

Wallner wartet ab

Er habe sich in der "aufgeheizten Stimmung" einige Tage Zeit genommen, um erst die Faktenlage zu prüfen, begründete Wallner heute sein von Vielen kritisiertes, tagelanges Schweigen. "Ich halte die Rücktritte für richtig, das ist eine sehr konsequente Haltung. Da wurde Verantwortung wahrgenommen", kommentierte Wallner und bedauerte, dass das Ergebnis der Steuerprüfung zu einer abschließenden Beurteilung bis dato nicht vorliege. Es gelte weiterhin, dass die Ergebnisse dieser Prüfung umzusetzen seien. "Wenn da eine Nachzahlung herauskommt, wird die bezahlt", sagte der Landeshauptmann.

FPÖ fordert Rücktritt von Finanzminister Brunner

Der grüne Koalitionspartner im Ländle fordert indes "lückenlose Aufklärung". Die Oppositionsparteien FPÖ, SPÖ und Neos hatten vor den Rücktritten angekündigt, ihr gemeinsames Vorgehen am Montag präsentieren zu wollen. Die Rücktritte kämen nicht überraschend und seien "längst überfällig", so die SPÖ. Der Neos-Landtagsabgeordnete Johannes Gasser sprach wie auch die rote Mandatarin Manuela Auer aber bereits von zwei "Bauernopfern":

FPÖ-Klubobmann Christof Bitschi forderte auch bei der ÖVP-Landespartei Konsequenzen. Eine Rücktrittsaufforderung an den ehemaligen Wirtschaftsbund-Spitzenfunktionär und nunmehrigen Finanzminister Magnus Brunner kam vom freiheitlichen Fraktionsführer im ÖVP-Untersuchungsausschuss, Christian Hafenecker. Nur so könnten unabhängige und unbeeinflusste Ermittlungen sichergestellt werden. SPÖ-Nationalratsabgeordneter Reinhold Einwallner nannte Brunners Rolle "aufklärungsbedürftig".

Die Causa hat auch den ÖVP-Ethikrat auf den Plan gerufen. "Wir beobachten das sehr aufmerksam", so Ethikrat-Ersatzmitglied Herwig Hösele am Freitag auf APA-Nachfrage. Man müsse sich die gezogenen Konsequenzen aber erst gemeinsam genau anschauen, und sehen, ob diese für eine Bereinigung ausreichten. Eine seriöse Bewertung werde einige Zeit dauern.