Am Sonntag vor 40 Jahren, am 29. August 1981, wurde die Synagoge in der Wiener Innenstadt von einem Terroranschlag erschüttert. Zwei palästinensische Terroristen töteten bei dem Attentat zwei Menschen, 21 wurden teilweise schwer verletzt. Zeitzeugen kämpfen bis heute mit den Spätfolgen, wie sie bei einer Gedenkveranstaltung an die Opfer und die Helden dieses Tages Sonntagvormittag schilderten.

"Ihr habt euch nicht unterkriegen lassen", betonte Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). Er erinnerte aber auch daran, dass bis heute selbstbewusstes jüdisches Leben nur mit aufwändigen Sicherheitsvorkehrungen möglich sei. Über ein Fünftel ihres Budgets investiert die IKG in Sicherheit. Auch die Gedenkveranstaltung musste von zahlreichen, schwer bewaffneten Polizisten geschützt werden.

Die beiden Terroristen wollten am 29. August 1981 den Stadttempel stürmen, als Gläubige am Sabbat Bar-Mizwah feierten. Dass bei dem Anschlag nicht mehr Menschen ums Leben kamen, ist wohl hauptsächlich dem schnellen Handeln der Polizeibeamten und privaten Sicherheitskräften zu verdanken. So konnte Rudolf Vesztergombi, Leibwächter des Industriellen Leopold Böhm, einen Attentäter mit Schüssen außer Gefecht setzen.

Zeugen erzählen

Die damals 20-jährige Elvira Glück hatte an diesem Tag Sicherheitsdienst an der Synagoge, zu dieser Zeit ein Studentenjob, wie sie am Sonntag beim Gedenken am Desider-Friedmann-Platz erzählte. "Wir waren nicht bewaffnet." Sie habe Schüsse gehört und nachgeschaut, was vor sich ging. Einer der Attentäter habe etwas geworfen, einen Ball, wie sie zunächst glaubte - doch dann habe sie begriffen, dass es eine Handgranate war. "Instinktiv machte ich die Türe zu", schilderte Glück. "Ich spüre die Spätfolgen des Anschlags auch 40 Jahre danach."

Juwal Grauss war elf Jahre alt, als er von den Terroristen angeschossen wurde. "Ich hab mich totgestellt." Trotz seiner blutenden Wunden habe er sich damals geweigert, im selben Rettungswagen wie einer der festgenommenen Attentäter transportiert zu werden. "Ich bin wieder rausgesprungen." Er habe viele Jahre gelitten, doch so schmerzhaft die Wunden gewesen seien, "das Attentat macht mich zu einem starken, selbstbewussten, zionistischen Juden in Österreich".

Zwei Menschen kamen bei dem Anschlag ums Leben. An Nathan Fried und Ulrike Sarah Kohut erinnert eine Gedenktafel. Kohut starb, weil sie sich schützend auf den damals dreijährigen Sohn ihrer Freundin warf. "Einer Person, die ein Menschenleben rettet, wird es angerechnet, als würde sie die ganze Welt retten", zitierte Markus Kohn heute aus dem Talmud. So habe sie es auch ermöglicht, dass er später eine Familie gründen konnte, meinte Kohn. Seine jüngste Tochter hat er im Gedenken an Kohut Sarah genannt.

Man sei als gesamte Gesellschaft dringend gefordert, gegen jede Form des Antisemitismus entschieden aufzutreten, betonte Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Als aktuelles Beispiel verwies sie etwa auf Corona-Leugner, die mit Judensternen auftreten. Dagegen aufzustehen, "das ist unsere Pflicht". Der Hass und der Terror seien auch nicht vorbei, erinnerte Edtstadler an den Anschlag vom 2. November 2020, bei dem ein Attentäter in der Wiener Innenstadt vier Passanten getötet hat. Dieser Anschlag war "gerichtet gegen uns alle", aber es sei wohl kein Zufall, dass der Ausgangspunkt hier vor dem Stadttempel gewesen sei, meinte Edtstadler.

Der Gedenkstein für die Opfer des Anschlags vom 2. November 2020 befindet sich nur wenige Meter entfernt von der Gedenktafel für die beiden Todesopfer des 29. August 1981. Die Einschusslöcher in den Mauern des Stadttempels sind erst vorige Woche entfernt worden.