Die SPÖ hat schwierige Jahre hinter sich: Seit dem Ende der rot-schwarzen Koalition 2017 ist die Partei im Bund weg von der Macht; bei der Nationalratswahl 2019 konnte sie trotz des unrühmlichen Endes der türkis-blauen Koalition nichts gewinnen und blieb wieder auf der Oppositionsbank. Ständige Debatten über Parteichefin Pamela Rendi-Wagner beschäftigten die Partei zuletzt mehr als klare inhaltliche Kanten.

Die kommenden Wochen und Monate könnten den Sozialdemokraten im Bund aber seit langem wieder ein Fenster mit etwas mehr Einfluss öffnen - und das gleich aus mehreren Gründen.

  • Zum einen nutzt der SPÖ, dass sie zuletzt etliche Wahlsiege verzeichnen konnte: Im Burgenland holte Hans Peter Doskozil - im Bund nicht unbedingt ein stabilisierender Faktor - die Absolute, in Vorarlberg gewannen regionale Kandidaten überraschend eine Reihe symbolisch wichtiger Bürgermeistersitze. Und, am wichtigsten: in Wien dürfte Michael Ludwig am Sonntag deutlich zulegen.
  • Zum anderen stehen im Bund etliche Projekte an, für die die türkis-grüne Koalition eine Zweidrittelmehrheit braucht - und damit die Zustimmung von entweder SPÖ oder FPÖ. Nachdem die Freiheitlichen im Angesicht der Corona-Krise auf Radikalopposition umgeschaltet haben - zu sehen etwa bei der Novelle des Epidemiegesetzes - hat die SPÖ hier ein starkes Verhandlungsfenster, das sie etwa bei besagter Novelle genutzt hatte. Neben Covid-Maßnahme, die die Opposition im Bundesrat zwar nicht verhindern, wohl aber verzögern könnte, stehen in den kommenden Monaten unter anderem die Pakete zu Informationsfreiheit und Ökostrom-Förderung auf dem Programm, die eine Zweidrittelmehrheit benötigen.
  • Zuletzt macht sich mit der fortschreidtenden Wirtschaftskrise auch eine Unzufriedenheit mit den Hilfsmaßnahmen der Regierung breit - was Rendi-Wagner etwa mit Auftritten an der Seite des ATB-Betriebsrats zu nutzen versucht, hier das Profil der SPÖ zu schärfen. Ausgang: offen.

Ein erster Hinweis darauf, dass der SPÖ diese neue Macht bewusst wird, zeichnet sich darin ab, dass sie bereits anfängt, recht konkrete Forderungen zu formulieren. Klubobmann Jörg Leichtfried wünscht sich etwa, im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes eine Möglichkeit zu schaffen, die Beantwortungen parlamentarischer Anfragen beim Verfassungsgerichtshof prüfen zu lassen.

"Wir wollen, dass der Verfassungsgerichtshof künftig die Möglichkeit bekommt, schlechte Anfragen zu werten und dass diese Wertung dann Verpflichtung für Ministerien wird, die Beantwortung durchzuführen" sagte Leichtfried - was wiederum die Oppositionsarbeit in den kommenden Monaten erleichtern würde.