Der ehemalige Wiener Stadtschulratspräsident Kurt Scholz weist die Darstellung zurück, dass er "Mitglied einer FPÖ-Historikerkommission" gewesen sei. Die FPÖ hatte Scholz am Montag als "SPÖ-affinen" Autor präsentiert, um die Unabhängigkeit ihres Berichts zu unterstreichen.

Kurt Scholz im Gespräch mit der Kleinen Zeitung: Erstens halte er jeden Versuch einer Partei, ihre Geschichte aufzuarbeiten, für "unterstützenswert". Einen Beitrag dazu habe er auf Bitte des "von mir sehr geschätzten Rechtshistorikers Wilhelm Brauneder" gerne verfasst. "Danach habe ich eineinhalb Jahre nichts mehr gehört, mit der Konsequenz, dass die letzten Vorfälle rund um das Innenministerium auch nicht mehr enthalten sind."

Keine Kommission

Zur Präsentation sei er nicht eingeladen gewesen, die "Zusammenfassung" seines Beitrages sei ihm nicht vorgelegt worden. "Der Ausdruck Kommission ist irreführend", sagt Scholz, seines Zeichens Mitglied der "Klasnic-Kommission". "Das Wort Kommission legt nahe, dass Leute zusammenkommen, diskutieren, etwas vereinbaren, das war hier nicht der Fall."

Sofort online stellen

Seine Empfehlung an die FPÖ: "Den kompletten Bericht sofort online stellen und alles vermeiden, was in Richtung des Versuches geht, einen Schlussstrich zu ziehen: Jetzt muss eine seriöse Debatte eröffnet werden, die kann man nicht führen, indem man das Werk nur von einzelnen Historikern oder israelischen Wissenschaftlern absegnen lässt. Es muss der gesamten geschichtswissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden und dieser die Möglichkeit einräumen, dazu Stellung zu beziehen." Ein Symposion könnte die Debatte dann zum Abschluss bringen.

"Striptease in quälender Langsamkeit"

Scholz gibt zu: "Das ist ein Prozess, der Mut erfordert und Zeit in Anspruch nimmt." Und ergänzt: "Nicht dass das direkt vergleichbar wäre, aber die Diskussion innerhalb der katholischen Kirche nach den Missbrauchsfällen geht in das zehnte Jahr, und sie ist immer noch  nicht abgeschlossen." Auch die Aufarbeitung der braunen Flecken etwa in der SPÖ habe Jahre gedauert. Der "Striptease in quälender Langsamkeit", den die FPÖ in Bezug auf die Veröffentlichung des Berichtes tanze, "weckt nur Mißtrauen, dabei will man doch Vertrauen haben".

Sein ganzer Beitrag lese sich kritischer als die FPÖ-Zusammenfassung, so Scholz. Zeithistoriker Oliver Rathkolb hatte ihm attestiert, dass in seinem Text "kritische Töne"zur Kontinuität von nationalsozialistischen Politikinhalten wie Antisemistismus und Verharmlosung des Holocaust in der FPÖ-Funktionärsschicht (aber auch bei ÖVP und SPÖ) dominierten.  Scholz' Beitrag steht unter dem Titel "Vom Verband der Unabhängigen zu Erich Fried".

Lesen Sie hier den Beitrag von Kurt Scholz.

Hätte der Blick auf die Ära von Innenminister Herbert Kickl seinen Blick noch einmal verändert?

"Kickl-Aktionen mit Angst verfolgt"

Scholz nimmt sich auch diesbezüglich kein Blatt vor den Mund: "Die Kickl-Aktionen im Innenministerium habe ich mit Angst verfolgt. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mir in Bezug auf die österreichische Innenpolitik gedacht: Da werden Tabus verletzt, die bisher niemand verletzt hat, da fallen Schranken, die man zuvor quer durch alle politische Entwicklungen bewahrt hatte." Wenn der Innenminister ein Zentrum für gequälte, geflüchtete Menschen mit dem Etikett "Ausreisezentrum" versehe, dann könne man darüber nicht mehr diskutieren. "Das ist ein Denken, das ist für eine Demokratie untragbar."

Dabei steht Scholz nicht an, der FPÖ in den Jahren zuvor ein Verhalten zu attestieren, das durchaus regierungstauglich gewesen sei: Dass die Restitution mitgetragen wurde, was rot-schwarze Regierungen zuvor über Jahrzehnte nicht geschafft hatten, dass FPÖ-Chef Norbert Hofer sich gegen die Aufhebung des Verbotsgesetzes stark gemacht habe, dass Heinz-Christian Strache sich mehrfach dezidiert zu Israel bekannt habe, "da hätte man sagen können: Ja, es gibt eine Vergangenheit, mit der gehen wir offen um, aber messt uns an der Gegenwart."