Fast eineinhalb Jahrzehnte brauchte Heinz-Christian Strache, bis sein Anlauf in die Regierung das Ziel fand, und nun ist es nach eineinhalb Jahren schon wieder vorbei. Selbst verschuldet muss der FPÖ-Chef und Vizekanzler aus der Spitzenpolitik ausscheiden, nachdem er auf einen Agent Provocateur hereingefallen ist und unter anderem Staatsaufträge gegen russisches Geld in Aussicht gestellt hat.

Dem Vernehmen nach soll Strache der Abschied von der Macht dann auch nicht allzu leicht gefallen sein, kein Wunder, hat der 49-Jährige Dreifach-Vater doch unglaublich viel persönlich investiert und die FPÖ nach der Abspaltung des BZÖ wohl auch vor ihrem Ende gerettet.

Unbeherrscht und unvorsichtig

Allerdings galt Strache auch immer als unbeherrscht und unvorsichtig. Letzteres wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Wie er da, wohl nicht unbeeinflusst von einigen Wodka Red Bull über "Krone"-Übernahme, "Strabag"-Boykott und Umwegs-Parteifinanzierung mit der vermeintlichen lettischen Oligarchin fabulierte, machte dies ein Bild in der Öffentlichkeit, das weder für den Koalitionspartner noch für die eigene Partei zumutbar war. Selbst der FPÖ-Chef fand sich im Nachhinein "peinlich".

Sünden der Vergangenheit

Dabei hat Strache, wie Reaktionen aus der FPÖ Freitagabend zeigten, anfangs noch mit durchtauchen spekuliert. Funktioniert hatte das ja schon das ein oder andere Mal, etwa als bekannt wurde, dass Strache als junger Mann an wehrsportübungsähnlichen Waldspielen teilgenommen hatte. Damals war der von seiner Mutter allein groß gezogene Jüngling tief in der rechtsextremen Szene verwurzelt, was wohl auch damit zusammenhing, dass er mit der Tochter des NDP-Gründers Norbert Burger liiert war. Erst vor wenigen Tagen drohte der Neonazi Gottfried Küssel mit Enthüllungen aus dieser Zeit.

Früh startete auch Straches steile Karriere in der FPÖ, für die er mit 21 Jahren jüngster Bezirksrat in Wien-Landstraße wurde. Nebenbei wurde Strache zum Zahntechniker ausgebildet und auch relativ früh Vater von zwei Kindern mit seiner damaligen Ehefrau, die einer prominenten Wiener Gastronomen-Familie entstammt.

Hoffnungsträger aus Wien

Politisch ging es flott nach oben. Lange vor seinem 30. Geburtstag angelte er sich ein Mandat im Wiener Landtag und galt rasch als Hoffnungsträger der traditionell starken Landesgruppe, deren Chef er seit eineinhalb Jahrzehnten ist. Anfangs noch Fan Jörg Haiders und eine der Hauptfiguren des Knittelfelder Delegiertentreffens, wandelte er sich während Schwarz-Blau zu dessen stärksten parteiinternen Kontrahenten. Seine steigende Popularität war wohl Anlass für Haider, sich mit dem BZÖ aus der FPÖ zu verabschieden.

Damit war wohl früher und unter anderen Umständen als von ihm gewünscht die Stunde Straches an der Spitze der Freiheitlichen gekommen, denen er seit 2005, also rund 14 Jahre unumstritten vorsteht. Umgeben von einem treuen Stab um Herbert Kickl, Harald Vilimsky und Norbert Hofer konsolidierte er die Partei sowohl finanziell als auch beim Wähler. Auch immer wiederkehrende Vorwürfe aus der Vergangenheit - etwa sein "Drei Bier"-Gruß - und eine selten faktentreue inhaltliche Ausrichtung stoppten Straches Weg nach oben nicht. Anti-EU- und -Islampolitik erwiesen sich als beständige Wahlkampfschlager ob im Bund oder in Wien.

Zwischenzeitlich sogar Nummer 1

Der Niedergang der Koalition schwappte ihn in Umfragen zeitweise sogar klar an die Spitze, erst Sebastian Kurz' Kür zum ÖVP-Obmann ließ die Freiheitlichen ein wenig nach unten sacken. Das hatte für Strache, inzwischen mit einer ehemaligen SPÖ-Assistentin verheiratet, mit der er zu Neujahr zum dritten Mal Vater wurde, aber auch seinen Vorteil. Denn der neue ÖVP-Chef scheute sich nicht, Strache und seine Getreuen in die Regierung zu holen.

Dass Kurz sich das traute, hatte der FPÖ-Chef aber auch einem eigenen Image-Wandel zu verdanken. Vertrieb Strache früher potenzielle Partner mit rüden Wahlkämpfen und wenig geschmacksicheren Auftritten, etwa mit einem Burschenschafter-Käppchen am Kopf bei der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, gab er sich über die Jahre immer staatsmännischer, sodass 2017 sogar der damalige SPÖ-Chef Christian Kern eine Zusammenarbeit auslotete. Eigentümliche musikalische Darbietungen, die früher jede seine Kampagnen begleiteten, hatte er da schon längst aufgegeben.

Wenig Pouvoir, viel PR

In Regierungsfunktion angekommen machte Strache selbst inhaltlich nicht viel, was auch mit seinen schmalen Ressorts öffentlicher Dienst und Sport zusammenhing. Mehr inszenierte er sich als romantischer Ehemann, Papa-Monat-Vater und Hundefreund. Wichtig war ihm zu allererst, dass das türkis-blaue Projekt insgesamt auf Schiene blieb. Kurz, den er früher oft wenig schmeichelhaft behandelt hatte, war plötzlich fast schon sein Freund, man traf sich mitunter sogar privat.

Doch politische Freundschaften haben mit jenen im echten Leben nicht allzu viel gemein. Schon zuletzt, als es in den EU-Wahlkampf ging, kühlte das Verhältnis ab, und nun wurde Sebastian Kurz die ganze Sache doch zu heiß. Strache wird sich eine neue Beschäftigung suchen müssen. Der Babymonat könnte durchaus zu einer längeren Sache werden.