Es ist wohl die härteste Frage, die Reinhold Mitterlehner zu seiner auch Kurz-kritischen Autobiographie „Haltung“ beantworten muss: „Hätten Sie das Buch auch geschrieben, wenn Kurz Sie zum Nationalbank-Präsidenten gemacht hätte?“. Eine Frage, auf die Mitterlehner, dem der Posten anstelle Harald Mahrers ursprünglich versprochen worden war, inzwischen einen Witz als Antwort gefunden hat: „Na, ich weiß nicht, wie viel Zeit ich dann gehabt hätte“.

Drei Wochen nach der Präsentation seines Buches – die erste Auflage von 10.000 Stück ist längst verkauft – merkt man Mitterlehner seine Routine an, als er am Mittwochabend in Graz mit Kleine-Innenpolitikchef Michael Jungwirth über „Haltung“ diskutiert.

Der Livestream zum Nachschauen:

„Ich trau' mir zu sagen, ich wär' kein schlechter Rechtsanwalt geworden“, erklärt der ehemalige ÖVP-Chef und Vizekanzler da etwa, wie er nach dem Studium bereits mehrere Konzipientenstellen in Aussicht hatte. Es kam anders – und seine Karriere führte den Oberösterreicher über den ÖVP-Wirtschaftsbund in die Politik.

„Waren Sie nicht selbst auch Profiteur einer Intrige als Sie 2008 Minister geworden sind“, will Jungwirth wissen – in Anspielung auf Mitterlehners detailreiche Beschreibung, wie der heutige Bundeskanzler Sebastian Kurz von langer Hand geplant hatte, die Parteiführung und Spitzenkandidatur von Mitterlehner zu übernehmen.

Das will der nicht gelten lassen: Dass er, und nicht der Steirer Herbert Paierl – er war bereits am Weg nach Wien – von Josef Pröll geholt worden war, sei nicht in seinen Händen gelegen, so Mitterlehner. „Jeder in der Politik wird immer wieder erleben, dass er den eigenen Parteifreunden ausgesetzt ist“, wehrt er ab.

"Ein russischer Revolutionär wäre blass geworden"

Außerdem sei seine Ablöse durch Kurz etwas anderes gewesen: „Ich sag' oft im Scherz, ein russischer Revolutionär wäre blass geworden“ ob der generalstabsmäßigen Planung, die Kurz und sein Team letzten Endes an die Parteispitze und ins Kanzleramt getragen habe. Es klingt nicht wie ein Scherz.

„Wir hatten aus meiner Sicht weder ein Sympathie- noch ein Akzeptanzproblem“, hatte Mitterlehner in seinem Buch geschrieben – aber „faktisch gab es in dieser Phase zwei ÖVP-Chefs, mich, den offiziellen, und einen inoffiziellen, gewissermaßen heimlichen, nämlich Sebastian Kurz“.

„Aber ich habe das Buch nicht aus Rache geschrieben“, sagt Mitterlehner – erstens beschäftige sich nur ein kleiner Teil mit Kurz – und hätte er Rache nehmen wollen, hätte er das schon im Wahlkampf 2017 getan.