In der Hofburg in Wien lief heute die offizielle Gedenkveranstaltung der Republik in Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Teilnehmer waren unter anderem Bundeskanzler Sebastian Kurz, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, mehrere Minister sowie SPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder.

Erst dieser Tage hatte ja eine Studie für Debatten gesorgt, wonach Österreichs Schüler grobe Wissenslücken zum Holocaust haben.

Bundesratspräsident Ingo Appé rief in seiner Begrüßungsansprache dazu auf, aus der Geschichte zu lernen und die Demokratie zu verteidigen. "Mit Worten werden Taten begründet und mit Worten wird zu Gewalt angestiftet." Daher gelte es, Hass in der Gesellschaft zurückzuweisen und die Demokratie gegen den populistischen Missbrauch von Worten zu verteidigen, sagte Appé.

Gedenkstätte am Loibl

In seiner Begrüßungsansprache zum Gedenktag erinnerte Bundesratspräsident an die Geschichte des Loibltunnels, der in der Nähe seiner Heimatgemeinde Ferlach liegt. Der Bau begann im April 1943, wobei ab Juni 1943 rund 1.800 Häftlinge einer Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen als Sklavenarbeiter eingesetzt wurden. Am 7. Mai 1945 wurden auch am Loibl die Gefangenen befreit. Lange Zeit habe es sich um ein "vergessenes" Konzentrationslager gehandelt, merkte Appé an.

Zwar bestand auf der slowenischen Seite seit 1954 eine Gedenkstätte, auf der österreichischen wurden jedoch erst 1995 Gedenktafeln beim Tunnelportal angebracht. Seit den 1990er-Jahren findet alljährlich eine internationale Gedenkfeier zur Erinnerung an die Opfer statt. Am 22. Mai 2019 wird nun auch ein Denkmal des international renommierten Künstler Seiji Kimoto am Tunnelvorplatz des Tunnelportals Loibl Nord enthüllt, um an das Leid, das Sterben, aber auch den Widerstand der KZ-Häftlinge zu erinnern. Zeichen gegen das Vergessen zu setzen, sei heute wichtiger denn je, da die Erinnerung an die Gräueltaten der Nationalsozialisten zu verblassen scheint, vor allem bei der jungen Generation, sagte Appé.

Erinnerung wachhalten

Mit dem Verschwinden der letzten ZeitzeugInnen verändere sich die Erinnerungskultur. Es sei daher die Aufgabe und Verpflichtung jedes Einzelnen, die Rolle der aussterbenden Zeitzeugen zu übernehmen und ihre Gedanken wachzuhalten. Der Bundesratspräsident wies auf bedenkliche gesellschaftliche Entwicklungen hin, die dazu führten, dass Empathie und Solidarität schwinden und Populisten zunehmend Gehör finden, die Menschen je nach Herkunft, Religion oder Hautfarbe unterschiedliche Rechte zusprechen und Hass und Vertreibung anderer propagieren. Wenn in Interviews Aussagen fallen, wonach das Recht der Politik zu folgen habe und nicht die Politik dem Recht, müsse das zu denken geben.

Angst und Hass

Leider seien die Verbreitung von Angst und Hass in Österreich wieder salonfähig geworden, beklagte der Bundesratspräsident. Populismus dürfe nicht verharmlost werden. Aus der Geschichte zu lernen, heißt für Appé, die von diesen Entwicklungen ausgehende Gefahr ernst zu nehmen. Denn auch der Holocaust habe nicht mit körperlicher Gewalt begonnen, sagte er. "Am Anfang stand das Wort - zuerst am Papier, dann in Reden und danach wurden Worte zu Taten. Es sind vor allem Worte, die die Wegbereiter für schlimme Taten sind." Die Digitalisierung führe heute dazu, dass "Fake News" und "Hatespeech", im Grunde also falsche Behauptungen, mehr oder weniger gesteuert, sich rasch weltweit ausbreiten können. "Mit Worten werden Taten begründet und mit Worten wird zu Gewalt angestiftet." Erneut gelte es daher, den Hass in der Gesellschaft zurückzuweisen, mahnte Appé.

In Mauthausen lernen

Die Notwendigkeit eines gemeinschaftlichen Ansatzes gegen jede Form von Antisemitismus, Gewalt und Rassismus in Anbetracht der österreichischen Zeitgeschichte betonte auch Staatssekretärin Karoline Edtstadler. In ihrem politischen Verantwortungsbereich sei es ihr erklärtes Ziel, dass jeder Schülerin und jedem Schüler ein Besuch in Mauthausen während der Schulzeit ermöglicht wird, so Edtstadler. die von Gesprächen von ZeitzeugInnen mit SchülerInnen im Rahmen ihres Verantwortungsbereichs im Innenministerium berichtete.

Diese hätten sie in der Ansicht bestärkt, dass es gelte, nicht bei der Betrachtung der Vergangenheit stehen zu bleiben, sondern gemeinsam - insbesondere mit den jungen Menschen, die bald Verantwortung tragen - sensibel, aber optimistisch die Zukunft zu gestalten. Gerade jetzt sei es notwendig, entschieden gegen Hass und Rassismus aufzutreten, betonte Edtstadler und erinnerte dabei an die jüngsten Anschläge, die sich gegen Gläubige -Jüdinnen und Juden, Musliminnen und Muslime, Christinnen und Christen - während des Gebets gerichtet haben.