Die Liste Jetzt wirft der ÖVP-FPÖ-Regierung vor, identitäre Politik zu machen. Das zeige sich etwa in der Ablehnung des UN-Migrationspaktes, was klar der Linie der Identitären entspreche, sagte Listengründe Peter Pilz am Dienstag. Von der FPÖ verlangte er "bis morgen" er einen "klaren Trennungsstrich" zu den Identitären. ÖVP-Chef Sebastian Kurz warf er vor, ihm sei in dieser Frage "alles wurscht".

"Die Identitären haben es geschafft, dass die gesamte Bundesregierung - etwa in der Frage des UN-Migrationspaktes - identitäre Politik macht", sagte Pilz bei einem gemeinsamen Rückblick mit seiner Klub-Kollegin Alma Zadic auf den am Montagabend abgehaltenen geheimen Nationalen Sicherheitsrat zum Thema Rechtsextremismus. Dieser war von der SPÖ und Liste JETZT nach Bekanntwerden der Spende des Attentäters von Christchurch/Neuseeland an Identitären-Chef Martin Sellner einberufen worden.

Der Sicherheitsrat fordert die Bundesregierung auf, zu evaluieren, ob die Ressourcen des  Extremismus-Referates im BVT ausreichen, um seinen Aufgaben nachkommen zu können. Das ist insofern auffällig, als mit dem Eingreifen des FPÖ-geführten Innenministeriums im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung gerade dieses Referat (und dessen Leiterin) unter Druck geraten war. 

FPÖ um Abgrenzung bemüht

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) war am Dienstag erneut um Abgrenzung gegenüber den Identitären bemüht. Die FPÖ habe klare Beschlüsse: Jene, die Identitären-Mitglieder sind, können nicht bei der FPÖ sein, so Strache. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) könne er "nur beruhigen: Wir haben eine klare Distanz zu jedwedem Extremismus, da kann er sich auf die FPÖ verlassen."

Er gebe Kurz recht, wenn dieser meint, dass "schwammige Begrifflichkeiten nicht zu akzeptieren sind", sagte Strache am Rande einer Pressekonferenz. Kurz hatte ja am Vortag erklärt, er dulde "keinen schwammigen Umgang mit dieser rechtsextremen Bewegung" und erwarte, dass die FPÖ "klar Position bezieht" und allfällige Verbindungen trennt. Strache betonte nun, er wisse nicht, wo Kurz solch einen "schwammigen Umgang" der FPÖ mit den Identitären erkennen könne.

Jetzt sei jedenfalls der Rechtsstaat am Zug und eine "völlig schonungslose und restlose Aufklärung" notwendig, erklärte Strache. Staatsanwaltschaft und Justizressort seien gefordert, die Details auf den Tisch zu legen, "wo eine strafrechtliche Relevanz sichtbar ist, damit ein Prüfverfahren zur Vereinsauflösung (der Identitären, Anm.) überhaupt stattfinden kann".

Es gehe jedenfalls nicht darum, "Vorverurteilungen" zu machen, so der Vizekanzler. "Wenn jemand strafrechtliche Dinge getan hat, hat dass die Staatsanwaltschaft und die Justiz zu bewerten und nicht die Politik."

"Kein Interesse"

Kurz interessiere das Thema überhaupt nicht, meinte hingegen Peter Pilz mit Verweis auf die Sitzung: "Der Bundeskanzler hat sich kein einziges Mal zu Wort gemeldet, dem war es vollkommen wurscht und er hat während der gesamten Sitz des Sicherheitsrates mit dem Handy gespielt." Diese Information sei übrigens kein Verstoß gegen die Geheimhaltungsbestimmungen: "Dass dem Bundeskanzler alles wurscht ist, ist mit Sicherheit kein Staatsgeheimnis."

Den Vorwurf, dass die Regierung die Agenda der Identitären umsetzt, versuchte Pilz mit mehreren Beispielen zu untermauern. So sei im Ministerratvortrag für die Ablehnung des UN-Migrationspaktes eine Übersetzung des Paktes von Identitären-Chef Sellner verwendet worden. Dieser habe die englische Formulierung "regular migration" nicht mit "regulärer", sondern mit "planmäßiger Migration" übersetzt. Und das habe sich dann im Ministerratvortrag wiedergefunden. Darüber hinaus warf er etwa Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vor, dass dieser für die Grenzschutzübung vom Juni 2018 in Spielfeld den Begriff "ProBorder" verwendet hatte. Dies sei ein "Kampfbegriff" der Identitären, so Pilz. Und auch den Begriff "Invasoren" für Flüchtlinge habe die FPÖ von den Identitären übernommen.

"Wo FPÖ draufsteht..."

"Die FPÖ sollte bis morgen die wichtigsten Marschierer für die Identitären ausschließen", forderte Pilz einen "klaren Trennungsstrich". Sollte sie nicht dazu bereit sein, dann gelte nach wie vor der Satz: "Wo FPÖ draufsteht, sind Identitäre drinnen". Außerdem forderte Pilz ein Verbot der Symbole der Identitären. Sollte dies nicht geschehen, dann will sich der JETZT-Abgeordnete mit den anderen Oppositionsparteien zusammentun und eine Nationalrats-Sondersitzung beantragen, um das Thema parlamentarisch zu behandeln.

"Derzeit ist die FPÖ Identitären-verseucht. Und wenn diese Verseuchung nicht gestoppt wird, dann wird sich die ÖVP ernsthaft überlegen müssen, ob sie mit einer freiheitliche Identitären-Partei weiter regieren will", sah Pilz auf den ÖVP-Chef gefordert. Doch Kurz befinde sich in "Geiselhaft" der FPÖ, meinte er. "Mein Eindruck nach dem Nationalen Sicherheitsrat ist: Die ÖVP steht hinter Innenminister Kickl. Der ÖVP ist es vollkommen egal, ob es der Innenminister der FPÖ, der Identitären oder der Rechtsextremen ist." Das Problem sei, dass Kurz zwar die "verbale Identitären-Weglegung durch die FPÖ" verlange, "dem kommt die FPÖ natürlich gerne nach", aber in Wahrheit passiere überhaupt nichts.

Enge Bande

Denn es gebe - entgegen der Beteuerungen der FPÖ-Spitze - sehr wohl enge Bande zwischen den Freiheitlichen und den Identitären. Das versuchte auch Zadic mit Hinweis auf personelle Überschneidungen zu untermauern. Sie nannte etwa den Grazer Vizebürgermeister Mario Eustacchio, der 2016 bei einer identitären Demonstration in Knittelfeld teilgenommen habe, darüber hinaus sei er 2018 beim rechten Kongress "Verteidiger Europas" aufgetreten. Auch Gerhard Kurzmann, blauer Dritter Landtagspräsident in der Steiermark , habe 2017 bei einer Identitären-Demonstration teilgenommen. Und der Grazer Gemeinderat Heinrich Sickl, der auch Geschäftsführer des neuen "Freilich"-Magazins ist (dem Nachfolger-Magazin der rechtsextremen AULA), habe Räumlichkeiten an die Grazer IBÖ vermietet. Außerdem habe er u.a. gemeinsam mit Sellner und dem rechten Verleger Götz Kubitschek die sogenannte "Herbstakademie" des Freiheitlichen Akademikerverbandes Steiermark organisiert.

"Unter Gleichgesinnten"

Seinen am Vortag getätigten Vorwurf in Richtung Kickl, dieser sei der Innenminister der Identitären und Rechtsextremisten, bekräftigte Pilz. Quasi als Nachweis ließ er ein Video der Rede Kickls beim rechten Kongress "Verteidiger Europas" von 2016 abspielen, bei dem Kickl wörtlich erklärt hatte, er sei hier "unter Gleichgesinnten" und das Publikum sei eines "wie ich es mir wünsche und wie ich es mir vorstelle".

Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) hält indes an seiner Partnerschaft mit der FPÖ fest, fordert aber eine "klare Distanzierung" von Rechtsradikalen. Eine Zusammenarbeit mit Identitären wäre "unmöglich", betonte er im ORF-Radio OÖ am Dienstag. Allerdings: "Soweit mein Wissensstand ist, gibt es keinen Beweis dafür, dass Identitäre mit den (Stadt-)Regierungsmitgliedern der FPÖ zusammenarbeiten".

Die Villa Hagen in Linz-Urfahr beherbergt ein von FPÖ-Funktionären geführtes Studentenheim und ist Sitz der Burschenschaft "Arminia Czernowitz", der beide Linzer FPÖ-Stadtregierungsmitglieder und mehrere blaue Gemeinderäte angehören. Gleichzeitig betreiben die Identitären in der Villa ihr "Khevenhüller-Zentrum". Es ist neben Graz das zweite Zentrum der Bewegung. Diese Nähe hat die Freiheitlichen zuletzt unter Druck gebracht.

SPÖ fordert Rücktritt Kickls

Angesichts der engen Verflechtungen zwischen der FPÖ und den Identitären auf ideologischer, organisatorischer und personeller Ebene fordert SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda ÖVP-Kanzler Kurz auf, klare Konsequenzen zu ziehen. "Ein Innenminister, der so enge Kontakte zu Rechtsextremen und zu den Identitären hat, ist ein Sicherheitsrisiko für Österreich und daher nicht länger tragbar. Statt wieder nur leere Ankündigungen zu machen, gibt es jetzt für Kurz nur eine Option: Der ÖVP-Kanzler muss dem Bundespräsidenten die Entlassung von FPÖ-Innenminister Kickl vorschlagen