Es sind bereits 102 Tage vergangen, seit Pamela Rendi-Wagner zur Parteichefin der SPÖ gewählt wurde. Leichter habe sie sich diese Aufgabe aber nicht vorgestellt, erklärte sie in der Wiener Redaktion der Kleinen Zeitung im Gespräch mit Chefredakteur Hubert Patterer. Der Parteitag, an dem sie gewählt worden war, habe einiges mit ihr gemacht, erklärt sie heute. „Das war ein Wendepunkt, an dem wir alle in die gleiche Richtung geblickt haben.“ Diese „Geschlossenheit und Stärke“ habe ihr Kraft gegeben.

Dass es hier „noch Luft nach oben“ gebe, gestand Rendi-Wagner an diesem Abend jedoch ein. Die SPÖ sei eine vielschichtige Partei, die ein breites Spektrum der Sozialdemokratie darstelle. „Am Ende ist das eine Stärke.“ Dennoch müssen die Mitglieder lernen, „dass die Verantwortung nicht allein bei der Parteivorsitzenden liegt, sondern bei uns allen“.

Nein zu Pass-Entzug

Die Beurteilung, ob ihr Parteikollege aus dem Burgenland, Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, dieser gewünschten Geschlossenheit im Weg steht, „überlasse ich Ihnen“, erklärte sie gegenüber Patterer. Wenig später wurde die Parteichefin jedoch deutlicher. Doskozils jüngster Forderung, heimischen IS-Kämpfern auch ohne Doppelstaatsbürgerschaft den österreichischen Pass entziehen zu wollen, erteilte sie kurzerhand eine Absage.

Man könne einem Österreicher die Staatsbürgerschaft nicht entziehen, wenn ihn das zu einem Staatenlosen machen würde. „Das ist derzeit die Sach- und Faktenlage“, erklärte Rendi-Wagner. Konkrete Informationen über die Kämpfer liegen derzeit jedoch, „wie so oft, nicht vor“. Momentan finde ein reines „Schattenboxen“ statt. Es brauche zudem keine nationalen Maßnahmen, sondern EU-weite Lösungen. Sie sei jedoch nicht dafür, heimische IS-Kämpfer nach Österreich zurückzuholen.

In eigener Sache

Dass sie selbst in der Versenkung verschwinde, wie es einige Politbeobachter behaupten, könne sie nicht nachvollziehen. Diese Frage habe sie in den letzten Wochen unzählige Male gestellt bekommen. „Allein diese persönliche Wahrnehmung zeigt doch schon, dass ich relativ viele mediale Termine wahrnehme.“

Dass Rendi-Wagner kurz nach ihrer Wahl in der Partei kräftig umgebaut hatte, sei aus ihrer Sicht eine Selbstverständlichkeit gewesen. „Es kann ja nicht sein, dass sich die erste Frau an der Spitze der SPÖ nicht ihr eigenes Team aussuchen kann.“ Zu ihrem Vorgänger Christian Kern pflege sie übrigens noch heute regelmäßigen Kontakt, ließ Rendi-Wagner wissen. „Es ist eine meiner vielen Chancen im Leben gewesen.“ Seine Art des Abgangs wolle sie aber nicht kommentieren. „Ich glaube, das war damals die richtige Entscheidung für ihn.“

"Männer sind nicht mein Problem"

Angesprochen auf die Aussage von Ex-SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky, wonach die „alten Männer“ in der Partei nicht über Nacht verschwinden werden, schmunzelte Rendi-Wagner. „Die Männer sind nicht mein Problem.“ Der Feind sitzt laut Parteichefin aber ohnehin in der Regierung und nicht in den eigenen Reihen. Sie selbst sei eine „Teamplayerin“. „Ich stehe nicht für eine Politik der One-Woman-Show“.

Für die Zukunft habe sich Rendi-Wagner vorgenommen, die SPÖ „wieder zu einer Vordenkerpartei“ machen zu wollen. Es sei die Aufgabe der Politik, Probleme zu antizipieren. Im Hinblick auf den Ausbruch der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 erklärte sie: „So etwas wie damals darf uns nie wieder passieren.“

Wird es die Parteichefin bis zur nächsten Nationalratswahl schaffen, wollte Chefredakteur Patterer am Ende des Gespräches wissen. Rendi-Wagners Antwort: „Ich halte durch.“ Denn: „Ich kann nicht an meinen Erfolg glauben, wenn ich mich gleichzeitig mit meinem Scheitern beschäftige.“