Ungewöhnlich offen hat sich der langjährige Landeshauptmann von Niederösterreich, Erwin Pröll, im Zuge einer Matinee am Sonntagvormittag im Theater in der Josefstadt über sein vorübergehend angespanntes Verhältnis zu seinem Parteifreund Sebastian Kurz geäußert. Pröll wusste von „heftigen Verwerfungen“ im Zusammenhang mit der Liederbuchaffäre des FPÖ-Politikers Udo Landbauer zu berichten. In so einer sensiblen Frage Stellung zu beziehen, sei „nicht nur Aufgabe der FPÖ, sondern auch des Regierungschefs.“

Die damalige, in einem Telefonat übermittelte Reaktion des Bundeskanzlers, Pröll möge sich in Hinkunft in der Öffentlichkeit mit Äußerungen zurückhalten, quittiert der Niederösterreicher in Anspielung auf die von der Regierung perfektionierte Message Control mit der Bemerkung: „Es gibt nur eine Instanz, der ich mich verpflichtet fühle: Das ist mein Gewissen.“

Nach „einem halben Jahr Funkstille“ und einem „klärenden Mittagessen“ habe man wieder eine Gesprächsbasis gefunden, die anlässlich der schweren Attacken der FPÖ gegen die Caritas zu Jahresbeginn neuerlich  auf die Probe gestellt wurde. „Es geht nicht, dass du schweigst. Das kann man nicht durch Schweigen wegbringen. Mit einer solchen Institution geht man nicht so um“. Nach ein paar Tagen habe Kurz dann doch Position bezogen.

Ganz generell halte er den jetzigen Bundeskanzler für "eines der größten politischen Talente." Er sehe es aber wie einer seiner Vorgänger, Andreas Maurer, der einmal meinte: "Talent ist ungemein wichtig, aber du brauchst auch Erfahrung, um ein guter Politiker zu sein."

Den Populisten erteilte Pröll bei der Matinee, bei der das in Buchform erschienene, von Herbert Lackner moderierte Streitgespräch zwischen Erwin Pröll und Peter Turrini „Zwei Lebenswege, eine Debatte“ im Zuge einer launigen Podiumsdiskussion vorgestellt wurde, eine deutliche Absage: "Populisten schüren den Nationalismus, der Nationalismus führt zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Wir brauchen nicht Populisten, sondern Realisten.“ 

Pröll liebäugelte zwei Mal mit Rücktritt

Wie im Buch schilderte Pröll bei der Veranstaltung, dass er zweimal knapp vor dem Rücktritt stand - nach seiner ersten LH-Wahl, bei der die ÖVP die absolute Mehrheit verloren hatte, sowie nach dem ersten ÖVP-Parteitag, bei dem er bescheidene 84 Prozent der Delegiertenstimmen auf sich vereinen konnte. "Hätte es nicht den Rückhalt meiner Frau gegeben, wäre ich zurückgetreten."