Warum haben Sie sich dazu entschlossen, in die Politik zu gehen?

Maria Rauch-Kallat: Das war kein bewusster Entschluss, sondern es entstand aus einer persönlichen Betroffenheit heraus. Meine Tochter ist mit vier Jahren erblindet und ich habe damals alles daran gesetzt, dass sie und andere Kinder nicht in Sonderschulen abgeschoben werden. Ich habe gelernt, zuständige Politiker unter Druck zu setzen, damit sich etwas ändert. Bis der damalige Wiener ÖVP-Chef Erhard Busek sagte: „Eigentlich brauchen wir Frauen wie Sie in der Politik.“

Wenig später saßen Sie im Bundesrat. Hatten Sie dort den Eindruck, dass es einen Unterschied ausmacht, ob man ein Mann oder eine Frau in diesem Beruf ist?

Damals gab es 33 ÖVP-Mandatare, von denen drei oder vier Frauen waren. Als dann die Redezeit beschränkt wurde, durften wir Frauen plötzlich viel seltener sprechen. Das geschah aber nicht aus böser Absicht – es war einfach so. Männer haben sich schlicht besser durchgesetzt.

Wie haben Sie sich damals durchgesetzt?

Ich habe immer meine Meinung gesagt und einmal auch die Klubdisziplin missachtet. Danach haben meine Parteikollegen monatelang nicht mit mir gesprochen. Das war nicht einfach für mich, wir alle wollen ja geliebt werden. Aber es ist in der Politik viel wichtiger, gefürchtet als geliebt zu werden. Ich war unbequem, aber sie haben mich respektiert.

Wenig Respekt brachten Ihnen Ihre Parteikollegen entgegen, als Sie 2011 die Töchter in die Bundeshymne gebracht haben. Erinnern Sie sich an Angriffe von damals?

Am Tag der Beschlussfassung im Nationalrat hat mir ein Kollege aus Tirol eine SMS geschickt mit dem Satz „Du Hexe, du. Wegen dir sitzen wir bis zwei Uhr in der Nacht im Nationalrat.“ Und dieser Satz war noch das Freundlichste an dieser SMS. Aber ich habe das nur bedingt ernst genommen.

Wie schwierig ist es, in Österreich Frauenpolitik zu machen?

Mit der #MeToo-Debatte hat sich die Lage deutlich verbessert. Männer haben plötzlich gemerkt, dass Dinge falsch laufen und Fehlverhalten Konsequenzen hat. In den 80ern war das anders, weshalb Frauen bei Übergriffen auch nicht an die Öffentlichkeit gegangen sind.

Zu Übergriffen kam es damals auch im Parlament. Wie haben Sie sich dagegen gewehrt?

Ein prominenter ÖVP-Abgeordneter, der bereits tot ist, hat mich zwei Mal begrapscht, bis ich ihn vor allen anderen zurechtgewiesen habe. Bei anderen hat er dennoch weitergemacht. So etwas wäre heute wohl nicht mehr denkbar.

Wie kann man Frauen motivieren, in die Politik zu gehen?

Politiker/in sein zu wollen allein reicht nicht. Man braucht ein Anliegen und den Willen, etwas zu verändern.

Was muss eine Frau für diesen Beruf mitbringen?

Eine gute Ausbildung, politisches Wissen, Gespür und ein halbwegs gutes Aussehen.

Warum das?

Weil man als Frau kritischer beurteilt wird. Die Menschen urteilen gerne über den Gesamteindruck und hören oft nicht zu. Das war schon immer so.

Daran hat sich auch bis heute nichts verändert?

Nur, dass es Männer heute genauso trifft und auch sie immer wieder auf ihr Äußeres angesprochen werden. Man muss dieses Spiel einfach mitspielen. Ich sage immer: Die Gleichstellung in diesem Land ist erst dann erreicht, wenn wir eine Bundeskanzlerin haben, die aussieht wie Fred Sinowatz.