Es wirkt schon fast wie Absicht, oder zumindest wie eine Fügung: Eineinhalb Tage nachdem Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) im ORF-„Report“ im Zusammenhang mit der Abschiebung straffälliger Flüchtlinge erklärt hatte, „dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“, versucht die EU-Kommission in anderer Sache, die türkis-blaue Koalition auf den Boden des Rechts zurückzuholen.

Gestern, Donnerstag, hat sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet: Die mit Jahreswechsel in Kraft getretene Indexierung der Familienbeihilfe verstoße gegen EU-Recht, argumentiert die Kommission - weil Arbeitnehmer, deren Kinder im Ausland leben, anders behandelt würden als solche, deren Kinder in Österreich wohnen. Österreichs Regierung wird der Kommission nun darlegen müssen, warum sie ihre Reform für europarechtskonform hält - sonst geht der Streit vor den Europäischen Gerichtshof.

Dass die Politik - ob jetzt Exekutive (die Regierung), aber auch die Legislative (das Parlament) - frei handeln kann, ist schon lange eine Illusion: Österreich und seine Politik haben sich über Jahrzehnte einem komplexen Netz an Vorgaben unterworfen, an die sie sich halten müssen. Nur manche davon finden sich in unserer Verfassung - daneben schränken auch Völkerrecht, Europarecht und die Menschenrechte den Handlungsspielraum wesentlich ein.