Die Empörung über Aussagen von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zum Rechtsstaat ebbt auch zwei Tage später nicht ab. Kritik setzte es unter anderem von der Opposition, während mehrere FPÖ-Vertreter zur Verteidigung Kickls ausrückten. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) führte unterdessen ein klärendes Gespräch mit Kickl, hieß es aus dem Kanzleramt.

Der Innenminister hatte im ORF-Report zunächst angekündigt, Grundregeln wie die Menschenrechtskonvention hinterfragen zu wollen. Auch erklärte er: "Denn ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht."

Die NEOS kündigten daraufhin an, einen Misstrauensantrag gegen den Innenminister einzubringen. Unterstützung hierfür gab es umgehend von der SPÖ. Beide Parteien zeigten sich über die Aussagen des Freiheitlichen entrüstet. Jetzt-Abgeordneter Alfred Noll erklärte: "Kickl hat mit seinen dreisten Aussagen zum Verhältnis zwischen Recht und Politik das zum Ausdruck gebracht, was in Österreich leider eine Tatsache ist. Das Parlament in Österreich ist ohnmächtig und schwach."

Namhafte Juristen sind bei einer Pressekonferenz der "Plattform Rechtsstaat" den Äußerungen Kickls entgegengetreten. Für Friedrich Forsthuber, Obmann der Fachgruppe Strafrecht in der Richtervereinigung, hat Kickl damit am "Wertegerüst unserer Rechtsordnung" gerüttelt. "Ich finde es unerträglich, wenn die Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention infrage gestellt werden. Das ist eines Rechtsstaates unwürdig", meinte dabei der Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, Michael Enzinger.

"Gefahr für die Demokratie"

"Gefahr für die Demokratie" ortete auch Rektorin Eva Blimlinger, Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko) und 103 österreichische Autoren sowie Kunst- und Kulturschaffende forderten in einer Aussendung den sofortigen Rücktritt von Kickl. Kritik kam auch von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ).

Kurz hat mittlerweile ein klärendes Gespräch mit Kickl geführt. "Klar ist, dass die Verfassung, die Grundprinzipien der Europäischen Union sowie die Grund- und Menschenrechte Gültigkeit haben und dass diese im Regierungsprogramm klar verankert sind", so Kurz. Was die Abschiebung straffällig gewordener Asylwerber betrifft, prüfe die Bundesregierung alle Möglichkeiten im Rahmen des Rechtsstaats, erklärte er weiter. Kurz weilt derzeit beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Dort erklärte er auf die Causa angesprochen: "Ich habe ihm sehr klar meine Meinung gesagt und glaube die akzeptiert er auch." Die Verfassung und internationale Vereinbarungen müssten gültig bleiben, betonte der Kanzler. Kurz führte klärendes Gespräch mit Kickl. Diskussionen über die Abschiebung von straffälligen Asylwerbern gebe es aber auch in anderen Staaten.

Hinter ihren Innenminister stellten sich die Freiheitlichen mittels mehrerer Aussendungen. Mittags meldete sich Parteiobmann Strache zu Wort und wies die "absurden Vorwürfe" gegen den Minister zurück und erläuterte dessen Aussagen: Die Politik, also die gewählten Volksvertreter, sei der Gesetzgeber. Exekutive und Judikatur hätten diese Gesetze zu vollziehen und müssten ihnen Wirkung verschaffen. Somit folge "natürlich das 'Recht der Politik'", in Übereinstimmung mit der Verfassung und der Gewaltentrennung. Selbstverständlich sei damit nicht gemeint, dass sich die Politik in die laufende Rechtsprechung einmischen dürfe, so Strache weiter. Es sei aber ihre Aufgabe, Gesetze zu beschließen und sie an die Notwendigkeiten der Gegenwart anzupassen.

Kickl selbst erklärte am Donnerstag, er bekenne sich zu 100 Prozent zum Legalitätsprinzip. Andererseits verwies auch er darauf, dass die Gesetze von der Politik gemacht und diese dann von der Justiz vollzogen würden. Auch bezüglich seiner umstrittenen Aussagen zur  Menschenrechtskonvention hielt der Innenminister allgemein fest, dass ja auch Gesetze immer wieder überprüft und allenfalls novelliert würden.