Angesichts der mit 1. Jänner 2018 erfolgten Abschaffung des Pflegeregresses ist ein Zugriff auf das Vermögen von Patienten in stationären Pflegeeinrichtungen "jedenfalls unzulässig". Diese Klarstellung hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einem am Donnerstag ergangenen Beschluss getroffen. Zuvor hatte es in einigen Bundesländern mangels Ausführungsregeln des Bundes Zweifel daran gegeben.

Es geht um vor Jahresbeginn 2018 rechtskräftig abgeschlossene Fälle, in denen Bescheide noch nicht vollstreckt wurden, Ratenzahlungen vereinbart wurden oder beim Wohnungseigentum der Pflegebedürftigen noch Grundbucheintragungen bestehen. Wien und die Steiermark etwa hatten an diesen Grundbucheintragungen festgehalten. Andere Länder, wie Oberösterreich, Niederösterreich, Kärnten, Salzburg und Vorarlberg waren bereits von einem Verzicht ausgegangen.

Ausgleichszahlung vom Bund

Der steirische ÖVP-Landesrat Christopher Drexler weist darauf hin, dass man sich selbstverständlich an die neue Regelung halten werde. Dem Land entgingen dadurch allerdings 25 Millionen Euro an offenen Forderungen. Drexler  fordert den Bund zu Verhandlungen über einen entsprechenden finanziellen Ausgleich auf.

In Kärtnen hat das Land bereits im Juli auf rund 15 Millionen Euro an alten Regress-Rückforderungen verzichtet. Gesundheitslandesrätin Beate Prettner (SPÖ) fordert seither Kompensation vom Bund.

Landesrat Christopher Drexler
Landesrat Christopher Drexler © APA/ERWIN SCHERIAU

Aktueller Anlassfall war die Beschwerde eines Mannes, die letztlich abgelehnt wurde. Gleichzeitig trafen die Verfassungsrichter aber eine für alle Bundesländer geltende generelle Klarstellung, wie das Verbot des Pflegeregresses im Zusammenhang mit offenen Forderungen aus einer älteren Regressentscheidung anzuwenden ist. Ein Zugriff auf Vermögen, egal ob etwa durch eine vor 2018 erfolgte Grundbucheintragung oder vereinbarte Ratenzahlung, ist demnach nicht mehr erlaubt, hieß es im VfGH auf Nachfrage der APA. Auf ein laufendes Einkommen darf hingegen sehr wohl zugegriffen werden.

"Unzulässig"

Der VfGH im Wortlaut: "Dessen ungeachtet ist gemäß § 330a ASVG ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten - selbst bei Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung, die vor 1. Jänner 2018 ergangen ist - jedenfalls unzulässig."

Zuvor hatte das Thema die SPÖ auf den Plan gerufen. Sie wollte das Problem mittels Initiativantrag bereinigen, so  Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda. Kritik übte er an der zuständigen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Auch Volksanwalt Günther Kräuter hat am Donnerstag im ORF-"Morgenjournal" erneut auf diese Problematik hingewiesen. Hartinger-Klein hatte das Problem zuletzt aber bestritten und eine weitere gesetzliche Regelung abgelehnt.

"Es bedarf rechtlicher Präzisierung", betonte Drozda. "Es ist vollkommen klar, dass es Ausführungsbestimmungen bedarf." Dass Hartinger-Klein dies nicht so sehe, sei ihm völlig unverständlich, könne aber "mit intellektuellen Kapazitätsengpässen" zu tun haben. "Sie ist aufgefordert, endlich zu handeln", sagte er: "Dafür wird sie gut bezahlt. Sie ist wirklich die Schwachstelle der Regierung."

Ganz ähnlich sah dies der SPÖ-Pensionistenverband. "Die Verunsicherung ist groß, es gibt keine Rechtssicherheit, die Bundesländer legen den Pflegeregress unterschiedlich aus", kritisierte Präsident Peter Kostelka in einer Aussendung: "Es kann nicht sein, dass der Wohnort entscheidend ist, ob noch Regress-Forderungen geltend gemacht werden oder nicht."