Innerhalb der Reihen der Liste Pilz gehen die Wogen hoch: Nachdem sich die junge Steirerin Martha Bißmann entschlossen hatte, das Mandat doch nicht zurückzulegen, ging Klubchef Peter Kolba selbst in die Offensive: Nach dem eigenen Scheitern an einer Lösung stellte er Bißmann quasi an den Pranger, indem er auf via Twitter eine "Liste von Forderungen" veröffentlichte.

Die Kleine Zeitung sprach mit Martha Bißmann. Wahr ist vielmehr: Diese Liste war keine Liste von Forderungen der Abgeordneten, sondern eine Zusammenfassung von Vorschlägen zur Neuordnung der Partei, die in vielen Sitzungen erarbeitet wurde und auf Vorschläge von Pilz und vier weitere Abgeordneter zurückging. Ziel seien mehr Transparenz und Mitsprache, dass Klub und Partei besser miteinander abgestimmt und vernetzt werden, und dass die Jüngeren besser positioniert werden.

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Das einzige, was neu war und Kolba offenbar auf die Barrikaden brachte: Dass Bißmann - im Gegensatz zur angedachten Lösung - doch nicht bereit war, zu gehen, sondern sich wünschte, dass ein Mandatar den Sitz im Parlament frei macht für Pilz. "Ich habe am Wochenende noch einmal lange nachgedacht darüber, was gut ist für mich und für die Partei."

Die Punkte, auf die man sich verständigt hatte:

  • Bißmann sollte geschäftsführende Parteiobfrau werden und Seite an Seite mit Peter Pilz die Partei aufbauen.
  • Listenplatz 1 oder 2 bei der EU-Wahl sollte an die junge Steirerin gehen, ebenso ein sicherer Listenplatz bei der nächsten Nationalratswahl.
  • Der Abgeordnete Bruno Rossmann - zwischenzeitlich selbst auch als Klubobmann im Gespräch - sollte sich aus seiner Funktion als Rechnungsprüfer in der Partei zurückziehen und auf die Funktion als Finanzprüfer im Klub konzentrieren, um die Basis zu verbreitern.
  • Im Fall, dass ein Mandat frei wird, sollte Bißmanns die Rückkehr über das steirische Mandat  ermöglicht werden.

Die junge Steirerin selbst, Daniela Holzinger-Vogtenhuber und Sebastian Bohrn Mena sollten als Mitglieder und Vorstand in die Partei aufgenommen werden. Außerdem sollte Wolfgang Zinggl den Vorstand der Parteiakademie zugunsten Bißmanns verlassen - und sie sollte ihre Funktion als Umweltsprecherin beibehalten.

Bißmann entschied sich nach reiflicher Überlegung anders. Bei Kolba auf Twitter liest sich das so: Es seien "ultimative" Forderungen gewesen. "Wir haben dem bis 11.00 entsprochen. Dennoch hat sie davor zu unserer Überraschung ihr Angebot das Mandat an Peter Pilz zurückzugeben, zurückgezogen."

Innerhalb der Partei ist man entsetzt. Seit der Klubchef selbst die Forderungen öffentlich gemacht und die junge Abgeordnete damit an den Pranger gestellt hatte, ist sie im Netz einem hasserfüllten Shitstorm ausgesetzt.

Bißmann selbst hatte per Video begründet, warum sie nicht weichen will:

Sie habe erfahren, wie wichtig ihre Stimme (Bißmann hat Energie- und Umweltmanagement studiert) als eine Stimme für die Umwelt im Parlament sei, nachdem es dort keine Grünen mehr gebe. Und Peter Pilz habe seiner Erwartung Ausdruck verliehen, dass die Frauen dem Parlamentsklub erhalten bleiben sollten.

Die Reaktion auf dieses Statement war eine Welle von vorwiegend Hasspostings: Von "männerbeißender Martha", die einen Maulkorb verdient habe, über die "unerwünschte Person" und die geldgierige Heuchlerin bis hin zur "unmoralischen" Karrieristin ist alles dabei. Bißmann bemüht sich um eine Antwort auf jedes einzelne Posting. Die Unterstützung für sie ist endenwollend.

Die männlichen Mitglieder im Klub sind Peter Kolba (59), Bruno Rossmann (66), Wolfgang Zinggl (63) und Alfred J. Noll (58).  Peter Pilz ist 64 Jahre alt.

Einer muss verzichten

Vergangenen Dienstag war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Innsbruck das Verfahren gegen Pilz wegen sexueller Belästigung eingestellt hat. Noch am selben Tag kündigte der ehemalige Grüne an, ins Parlament zurückzukehren. Seitdem beraten unter anderem die acht Abgeordneten, wie diese Rückkehr aussehen soll. Für das Wiedererlangen seines zurückgelegten Nationalrats-Mandats müsste einer oder eine verzichten.

"Watsche für Verhalten verdient"

Dem Vernehmen nach wäre die für Pilz nachgerückte Martha Bißmann in Frage gekommen. Gegenüber der "Presse" sprach sie davon, intern und von außen großem Druck ausgesetzt worden zu sein. "Im Laufe der Verhandlungen gingen die Emotionen so hoch, dass so mancher auch der Meinung war, ich hätte eine Watsche für mein Verhalten verdient und dass ich aus dem Klub rausgeschmissen werden sollte, weil meine Forderungen so unverschämt seien."

Spätestens am Mittwoch wird die personelle Situation bei der Liste Pilz akut. Schon vor Wochen hat der interimistische Klubchef Kolba bei der Parlamentsdirektion seinen Rücktritt eingereicht, spätestens am Freitag müsste seine Nachfolgerin oder Nachfolger übernehmen. Aber auch Regelungen zur Parteiakademie sowie zur Partei selbst stehen aus. Womöglich Mitte dieser Woche könnten ein paar Entscheidungen getroffen sein, hieß es gegenüber der APA. Pilz wiederholte am Sonntagabend in der ORF-Sendung "Im Zentrum" nur, dass die Entscheidung "demnächst" fallen soll.

Neuer juristischer Streit

Auch auf der juristischen Front ist es für Pilz nach der Einstellung des Verfahrens wegen sexueller Belästigung nicht ruhiger geworden. Zum einen erreichte vergangene Woche die Staatsanwaltschaft Wien eine Sachverhaltsdarstellung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), die auf den Straftatbestand der üblen Nachrede abzielt. Pilz hatte den Beamten in Zusammenhang mit einer Abschiebung "amtlichen Mordversuch" vorgeworfen.

Zusätzlich dazu muss sich Pilz, der derzeit keine parlamentarische Immunität genießt, am 6. Juni tatsächlich vor Gericht verantworten. Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter hat persönlich die Fortsetzung eines Verfahrens wegen übler Nachrede im Zusammenhang mit der Causa Eurofighter beantragt, berichtete "Der Standard". Der Jurist hatte die Anklage gegen Gernot Rumpold vertreten und musste sich von Pilz "Komplizenschaft" mit diesem nachsagen lassen.