Die Regierung hat heute im Ministerrat ein Maßnahmenpaket zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts beschlossen. Die größte und umstrittenste der geplanten Maßnahmen sieht vor, das "Staatsziel Wirtschaftswachstum" in die Verfassung zu schreiben, wofür allerdings eine Zweidrittel-Mehrheit im Nationalrat notwendig ist. Umweltschützer sehen darin den Versuch, Umweltrechte auszuhebeln.

Gegenüber dem ORF spricht Verfassungsexperte Theo Öhlinger von einem "überflüssigen und sinnlosen Akt".

Anlass für die Staatsziel-Erweiterung war der Streit um die dritte Piste am Wiener Flughafen, die aus Umweltschutzgründen gerichtlich untersagt, dann aber wieder an die erste Instanz zurückverwiesen wurde. Für die noch vor dem Sommer erwartete Entscheidung dürfte das neue Gesetz aber wohl zu spät kommen, zitiert der "Kurier" am Dienstag den Generalsekretär im Justizministerium, Christian Pilnacek.Infrastrukturminister Norbert Hofer erinnerte nach dem Ministerrat daran, dass seit 16 Jahren um die dritte Piste gerungen werde. Das sei nicht akzeptabel.

Die Zweidrittel-Mehrheit im Parlament soll mit Hilfe der NEOS zustande kommen, und die stehen dem Paket positiv gegenüber. "Ich bin überzeugt, dass es ein größeres Paket für die Wirtschaft braucht", sagte NEOS-Chef Matthias Strolz zum "Kurier". NEOS-Wirtschaftssprecher Josef Schellhorn hatte sich gegenüber dem "Standard" am Montag noch "eher kritisch" gezeigt. Mit der Zustimmung der SPÖ wird offenbar nicht gerechnet, obwohl die SPÖ unter Kanzler Christian Kern (SPÖ) noch dafür eingetreten war, die Stärkung des Wirtschaftsstandorts im Verfassungsrang zu verankern.

Kritik von Umweltschützern

Nach Ansicht der Umweltschutzorganisation WWF will die Regierung mit der neuen Staatszielbestimmung "umstrittene Großprojekte schneller durchpeitschen und riskiert damit mehr Umweltverschmutzung und Naturzerstörung in Österreich". Die stellvertretende WWF-Geschäftsführerin Hanna Simons forderte NEOS und SPÖ in einer Aussendung auf, "sich nicht für die Zwei-Drittel-Mehrheit herzugeben". Die Genehmigungsverfahren sollten stattdessen durch eine bessere personelle Ausstattung der Behörden und eine Föderalismusreform beschleunigt werden - und die Projektwerber sollten eben bessere Unterlagen einreichen.

Auch die Umweltschutz-Organisation Global 2000 warnt vor einem "undurchdachten Herumpfuschen an der Verfassung". "Sobald in Österreich aktiver Klimaschutz von allen Staatsorganen verantwortungsbewusst wahrgenommen wird, wie im Anlassfall des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zum Flughafen-Ausbau vom Februar 2017, wird offenkundig von einigen AkteurInnen die gesamte Rechtsbasis und auch die Verfassung in Frage gestellt", warnt Global-2000-Geschäftsführerin Leonore Gewessler.

Erleichterung bei Anlage-Genehmigungen

Das geplante Standort-Paket enthält neben der Staatsziel-Bestimmung auch eine Erleichterung der Genehmigungsverfahren und die Einführung von neuen Lehrberufen, darunter E-Commerce-Kaufmann/-frau, Glasverfahrenstechnik, Maskenbildner/-in oder Zahntechnische Fachassistenz und Tierärztliche Ordinationsassistenz. Für die Anlagegenehmigungen nannte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck Beispiele: Im Einzelhandel werde die Grenze für notwendige Verfahren von 200 auf 600 Quadratmeter angehoben. Beherbungsbetriebe bis 30 Zimmer bräuchten künftig keine Anlagengenehmigung.

Weniger Geld für Parteien

Zudem wird die ab April geplante Erhöhung der Parteienförderung ausgesetzt. FPÖ-Minister Höfer betonte, dass dieses Aussetzen auch Auswirkungen auf die Zukunft habe und durch die Inflation praktisch eine Senkung der Politikergagen bedeute. Unklar war vorerst, ob mit der Aussetzung der Valorisierung auch die Wahlkampfkostengrenze und die Grenzwerte für die Offenlegung von Parteispenden gleich bleiben.