Geht es nach ÖVP und FPÖ, dann sollen in den Volksschulen bald wieder Noten verteilt werden. Ein richtiger Schritt?

Stefan Hopmann: Es gibt Schulsysteme, in denen ab der ersten Klasse benotet wird, und es gibt Schulsysteme, in denen man bis zur siebenten Schulstufe ohne Noten auskommt. Untersuchungen zeigen, dass es aber eigentlich keinen Unterschied macht, in welchem System ein Kind ist. Denn sie wissen - auch, wenn sie nur verbal bewertet werden - immer ganz genau, bei welcher Note sie stehen. Außerdem sind diese Bewertungen auch meistens wie Noten formuliert.

Ist die Diskussion um die Notenvergabe also eine unnötige?

Definitiv. Noten sind ja auch ganz grundsätzlich kein Ausdruck für Leistung, sondern schlicht eine Mitteilung darüber, wie gut sich jemand im Unterricht bewährt hat.

Was wäre dann eine dringendere Baustelle für Sie?

Es wäre viel wichtiger, das Notenkriterium beim Übertritt in die weiterführende Schule abzuschaffen. Denn am Ende der vierten Klasse Volksschule beginnt der Stress für Schüler, Lehrer und Eltern. Dann werden auch oft Noten verteilt, die keine Grundlage haben, nur damit das Kind auf ein Gymnasium darf. In Untersuchungen hat sich gezeigt: Wenn sich Lehrer, Eltern und Schüler in Ruhe zusammensetzen und über die Stärken und Schwächen des Kindes sprechen, wird in 90 Prozent der Fälle die richtige Schulform gefunden. Ganz unabhängig von Noten.

Die beiden Parteien wollen zudem die sieben Schulnoten, die aktuell in der Neuen Mittelschule verteilt werden, abschaffen. In Zukunft sollen es nur noch die klassischen fünf sein.

Das ist auch gut so, diese Benotungsskala ist reiner Schwachsinn. Sie wurde einfach an die Schulen ausgegeben und die haben sie wiederum ganz unterschiedlich ausgelegt. Ein unübersichtliches Notenchaos war die Folge.

Für das klassische fünfteilige Notensystem soll es „eine genaue Definition“ geben, „welche Note vergeben werden muss“, heißt es im Papier. Wie würde eine solche Definition aussehen?

Wenn eine solche Definition darauf hinausläuft, dass man festlegt, welches Kind in welcher Schulstufe was können muss, dann ist das nichts anderes als eine Pseudoobjektivierung von Noten. Denn sie geben immer einen ganzheitlichen Eindruck wieder, der nicht in Details zerlegt werden kann. Zudem würden Lehrer in der Praxis trotzdem zuerst eine Note festlegen und erst dann überlegen, welche Kompetenzen sie dem Kind dafür bescheinigen müssen.

Und die Eltern bekommen Angst, dass das Kind zurückbleibt?

Natürlich. Aber Kinder entwickeln sich eben unterschiedlich. Und darauf muss man Rücksicht nehmen.