Die Vorzeichen stehen alles andere als günstig, in jeder Hinsicht. Anfang November hatte Ratspräsident Charles Michel auf Einladung der Chinesen per Video eine Grußbotschaft zur Eröffnung der Handelsmesse in Schanghai geschickt und darin nicht mit kritischen Worten gespart – das Video wurde daraufhin einfach nicht gezeigt. Michel musste sich auf seinem Weg zum heutigen Treffen mit Chinas Präsidenten Xi Jinping aber auch schon Kritik aus den eigenen Reihen anhören: Er war offensichtlich einverstanden, von einem chinesischen Arzt einen Covid-Test durchführen zu lassen und damit dem chinesischen Regime seine "DNA als Geschenk" mitzubringen, wie das Portal "Politico" süffisant anmerkte. Zuletzt hatten Emmanuel Macron und Olaf Scholz solche Tests vor ihren Treffen mit Wladimir Putin verweigert und sie von eigenen, mitgebrachten Medizinern durchführen lassen. DNA-Muster von für die Welt relevanten Personen will man nicht in den Händen totalitärer Staaten wissen.

Das Beispiel zeigt aber, wie sehr die Verbindungen gestört sind. China nutzt geschickt jede Chance, ein politisches oder wirtschaftliches Vakuum in anderen Teilen der Welt zu füllen, wie am Westbalkan. Gleichzeitig ist China drittgrößter Partner bei den EU-Warenausfuhren (10,2 Prozent) und der größte Partner bei den EU-Wareneinfuhren (22,4 Prozent). Die EU-Einfuhren aus China beliefen sich 2021 auf 472 Milliarden Euro, die Ausfuhren der EU nach China auf 223 Milliarden. Über die wirtschaftlichen Verbindungen sind folglich auch die Einflussmöglichkeiten Europas auf das Reich der Mitte am ehesten gestaltbar.

In Brüssel räumt man offen ein, dass sich die bilateralen Beziehungen zuletzt verschlechtert haben. Man versprach einander zwar Zusammenarbeit in den Bereichen Klimawandel und Energiewende, doch China agiert recht unbeeindruckt von europäischen Worten mit Zwangsmaßnahmen gegen den hiesigen Binnenmarkt oder mit Sanktionen gegen EU-Parlamentarier, die auf Menschenrechtsverletzungen hinweisen.

Europas Abhängigkeit verringern

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten Bedenken geäußert, wirtschaftlich zu abhängig zu sein von China. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, die EU habe ihre Lektion aus der starken Energieabhängigkeit von Russland gelernt und müsse bei China wachsam sein. Die Volksrepublik wolle strategischen Einfluss über Investitionen in wichtigen Sektoren aufbauen. Das müsse im Zweifel auch untersagt werden.

Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, die sich direkt oder indirekt gegen China richten. Dazu gehören der Ausschluss des Herstellers Huawei beim Ausbau des 5G-Netzes, das neue Lieferkettengesetz, das ausdrücklich Waren verbannt, deren Herstellung hinsichtlich der Menschenrechte oder des Umweltschutzes bedenklich sind, oder der CO₂-Grenzausgleichsmechanismus, mit dem die Treibhausgasemissionen bei der Herstellung von Produkten in Rechnung gestellt werden. Auch der "Chips Act" wendet sich gegen die Abhängigkeit bei Mikrochips. Im Sommer einigte man sich in der EU auf schärferes Vorgehen gegen wettbewerbsverzerrende Subventionen.

Im Vorfeld der Reise betonte Charles Michel aber auch, die EU dürfe sich im Konkurrenzkampf zwischen den USA und China nicht vorbehaltlos auf die Seite Amerikas stellen.