Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban verweigert sich weiter einer Auseinandersetzung über die auf sein Betreiben erfolgte Ausschaltung des Parlaments in der Coronakrise. "Bei allem Respekt, ich habe keine Zeit für so etwas", beschied Orban am Freitag dem Generalsekretär der Europäischen Volkspartei (EVP), Antonio López-Isturiz.

Orban argumentierte, dass die Regierungs- und Parteichefs heute überall auf der Welt ihre Kräfte bündelten, um rechtzeitig wirkungsvolle Entscheidungen zu treffen. All dies geschehe zur Rettung von Menschenleben, dem Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Staatsbürger, zitierte die Ungarische Nachrichtenagentur MTI.

Es sei daher schwer vorstellbar, dass irgend ein Spitzenpolitiker die Zeit hätte, "über die Absichten anderer Länder zu fantasieren", so Orban mit Blick auf die von bereits 16 der 27 EU-Regierungen geäußerten Kritik an dem am Montag beschlossenen Notstandsgesetz in Ungarn.

Das erschiene heute als ein "teurer Luxus", für den er keine Zeit hätte. Sobald die Coronavirus-Pandemie vorbei sei, sei er offen, jede Frage zu erörtern, betonte er. Bis dahin wolle er alle Zeit ausschließlich darauf verwenden, das Leben ungarischer Bürger zu retten, und im Rahmen des Grundgesetzes Maßnahmen vorzubereiten für das Auferstehen von Wirtschaft und Gesellschaft. "Ich schlage vor, dass wir alle gleiches tun in unseren eigenen Ländern", beendete Orban seinen Brief an den Generalsekretär.

Orban äußerte sich, nachdem 13 Mitgliedsparteien der Europäischen Volkspartei (EVP) offiziell einen Ausschluss der ungarischen Regierungspartei Fidesz gefordert hatten, deren Mitgliedschaft in der größten europäischen Parteienfamilie derzeit suspendiert ist. Die ÖVP schloss sich dieser Forderung nicht an, ebenso wenig wie die türkis-grüne Bundesregierung der kritischen Erklärung der 16 EU-Regierungen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte am Dienstag auf die Frage nach Ungarn im ORF-Fernsehen: "Ich habe, ehrlich gesagt, nicht die Zeit, mich mit Ungarn auseinanderzusetzen. Ich habe ganz andere Sorgen im Moment."