China ist dabei, sich als Vermittler in internationalen Konflikten zu positionieren – von der Ukraine bis zum Nahen Osten. Ein Baustein in dieser Strategie war das Telefonat von Staatschef Xi Jinping mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor wenigen Tagen. Es war der erste Kontakt zwischen den beiden Politikern, seit Russland im Februar vergangenen Jahres in die Ukraine einmarschierte.

Was schlägt China vor?

Xi hat gegenüber Selenskyj angekündigt, eine hochrangige Delegation in die Ukraine zu schicken, um zu einer "politischen Lösung" beizutragen. Nach seinen Worten ist es Chinas "wesentliche Position, Friedensverhandlungen zu fördern". Im Februar hatte Peking einen Zwölf-Punkte-Plan zur Ukraine veröffentlicht, der zum Dialog aufruft und zum Respekt für die Souveränität aller Länder. Trotz der im Westen bemängelten vagen Formulierungen sagte Selenskyj, er sei offen für Gespräche mit Xi.

Leiter der chinesischen Delegation soll Li Hui werden, Chinas Botschafter in Russland von 2009 bis 2019. Diese Entscheidung löste international Verwunderung aus, da der russische Präsident Wladimir Putin ihn 2019 mit dem Freundschaftsorden seines Landes ausgezeichnet hatte.

Der Politologe Ja Ian Chong von der Nationalen Universität von Singapur bezeichnete das Telefongespräch zwischen Xi und Selenskyj als "positiven Schritt nach vorn", da es den Kontakt auf höchster Ebene wieder herstelle. Dennoch sei es nicht mehr als ein erster Schritt. Überzeugende Fortschritte könne es nur geben, wenn Russland glaubwürdig in seine Schranken gewiesen würde.

Warum gerade jetzt?

Das Telefonat vom Mittwoch folgte auf eine diplomatische Charme-Offensive, mit der Peking seine nach drei Jahren Pandemie angespannten Beziehungen zu Europa verbessern will. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen haben China in diesem Monat besucht.

Der Herausgeber des Newsletters "Sinocism", Bill Bishop, schrieb, Peking könnte signalisieren, dass es bereit ist, sich im Ukraine-Konflikt zu engagieren, um die "harscheren Kritiker Chinas in der EU zu besänftigen". Es könnte auch an seinem Ziel arbeiten, einen Keil zwischen die EU und die USA zu treiben.

Die chinesische Regierung hat sich jüngst auch als Vermittlerin in anderen Krisen positioniert. Im März hatte sie die Rivalen Saudi-Arabien und Iran zu einer überraschenden Annäherung motiviert. Außerdem hat Peking angedeutet, dass es bereit wäre, Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern in Gang zu bringen.

Wie sieht Chinas Verhältnis zu Russland aus?

China versucht, sich im Ukraine-Krieg als neutral darzustellen, gleichzeitig haben China und Russland ihre wirtschaftliche und diplomatische Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren verstärkt. Bis heute hat Peking den russischen Angriff auf die Ukraine nicht verurteilt. Im März verkündeten Putin und Xi bei einem Treffen, das Verhältnis beider Länder sei in eine "neue Ära" eingetreten.

Wie sind die Reaktionen auf Chinas Vorstoß?

Selenskyj sagte, das Telefongespräch und die Ernennung eines ukrainischen Botschafters für China gäben den Beziehungen zwischen beiden Ländern "einen kräftigen Schub". Moskau wies auf die "Bereitschaft" der chinesischen Seite hin, "sich um das Anstoßen eines Friedensprozesses zu bemühen".

Vertreter westlicher Staaten reagierten zurückhaltend. Die Europäische Union nannte das Telefonat einen "wichtigen, lange überfälligen ersten Schritt" und drängte China, seinen Einfluss auf Russland geltend zu machen. Die USA begrüßten das Gespräch als "gute Sache".

Kann China ein Friedensvermittler sein?

Xis "grenzenlose Freundschaft" mit Putin wirft Fragen zur Unparteilichkeit des chinesischen Staatschefs auf. Laut Weißem Haus ist es unklar, ob Chinas Engagement zu einem brauchbaren Friedensplan führen kann.

Der heute in Sydney lebende chinesische Ex-Diplomat Han Yang schrieb auf Twitter, dass Xi mit seiner Bemerkung, einen Atomkrieg könne niemand gewinnen, verklausuliert "Druck auf Selenskyj ausübt, Putins territorialen Forderungen nachzugeben: Wenn du nicht anfängst zu verhandeln, könnte Russland die Bombe werfen, und das wäre dann deine Schuld".