Der Krieg hat in Europa so viele Tote gefordert wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Nach Angaben des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) kamen bis Ende Juli mehr als 9000 Zivilisten ums Leben. Mehr als 16.000 wurden verletzt. Der OHCHR geht allerdings davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen deutlich höher liegen.

Mehr russische Soldaten als ukrainische Soldaten gefallen

Einem Bericht der "New York Times" zufolge hat der Krieg fast 500.000 Tote und Verletzte gefordert. Die Zeitung beruft sich auf Regierungsvertreter der USA, denen zufolge bis zu 120.000 russische Soldaten getötet und 170.000 bis 180.000 verletzt worden seien. Aufseiten der Ukraine habe es 70.000 tote Soldaten und 100.000 bis 120.000 Verwundete gegeben.

Vertreter Russlands halten die US-Schätzungen der russischen Verluste für viel zu hoch – und für Propaganda. Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu erklärte am 21. September, dass seit Beginn des Krieges 5937 russische Soldaten getötet worden seien. Die Zahlen wurden seither nicht aktualisiert, sie sind ein Staatsgeheimnis.

Die Ukraine hat bisher nicht mitgeteilt, wie viele ihrer Soldaten getötet wurden. Da die Angaben ihre Kriegstaktik beeinflussen könnten, sollten sie geheim bleiben. Die Nachrichtenagentur Reuters ist nicht in der Lage, die Zahl der Toten auf beiden Seiten zu verifizieren.

In der Ostukraine schwelt der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland weit länger. Er begann 2014 als der prorussisch eingestellte Präsident Viktor Janukowitsch im Zuge der Revolution und Protesten auf dem Maidan gestürzt wurde und Russland die Halbinsel Krim annektierte. Nach Angaben des OHCHR wurden in der Ostukraine zwischen 2014 und Ende 2021 etwa 14.000 Menschen getötet, darunter 3106 Zivilisten.

Fast sechs Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine

Seit der Invasion Ende Februar 2022 wurden nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen Millionen Ukrainer vertrieben. Die Ukraine hat eine Bevölkerung von mehr als 41 Millionen Menschen. Schätzungsweise 17,6 Millionen Menschen in der Ukraine benötigten dringend Hilfe, darunter mehr als fünf Millionen Binnenvertriebene. Dem Flüchtlingshilfswerk zufolge sind in ganz Europa über 5,9 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine registriert.

Nach Angaben des Forschungsinstituts Belfer Center an der Harvard Kennedy School hat Russland seit Beginn des Krieges elf Prozent des ukrainischen Territoriums eingenommen. Die Fläche entspricht der Größe Lettlands. Zusammen mit der Krim, die Russland 2014 von der Ukraine annektiert hatte, kontrolliert Russland nun etwa 17,5 Prozent der Ukraine. Das entspricht einer Fläche von rund 106.000 Quadratkilometern.

Nachdem die Ukraine 2022 die russischen Streitkräfte zurückdrängen konnte, ist es ihr seit dem Start einer neuen Gegenoffensive Anfang Juni nicht gelungen, größere Fortschritte gegen die russischen Truppen zu erzielen. Die Kämpfe konzentrieren sich derzeit auf den Südkosten der Ukraine, die einen großen Teil ihrer Küstenlinie verloren hat. Einige Städte wurden zerstört.

Zudem lahmt die Wirtschaft. 2022 schrumpfte sie um 30 Prozent. In diesem Jahr wird sie nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) nur um ein bis drei Prozent wachsen. Wie viel die Ukraine für den Krieg ausgegeben hat, ist unklar.

Russlands Wirtschaft leidet unter dem Krieg

Auch Russland macht keine Angaben zu den Kosten des Krieges. Es werden allerdings immer größere Summen in das Militärbudget gesteckt. Sie befeuern die Wirtschaft künstlich. Diese wird durch die Sanktionen des Westens wegen des Ukraine-Krieges belastet. Nach Angaben des IWF wird die russische Wirtschaft in diesem Jahr um 1,5 Prozent wachsen. 2022 schrumpfte sie um 2,1 Prozent. Mittelfristig werde die russische Wirtschaft unter anderem durch die Abwanderung multinationaler Unternehmen, den Verlust von Humankapital und der Abkopplung von den globalen Finanzmärkten beeinträchtigt, sagte IWF-Sprecherin Julie Kozack letzten Monat. "Daher erwarten wir, dass die Produktion in Russland mittelfristig um sieben Prozent unter der Vorkriegsprognose liegen wird."

Russland hat sein Ziel für die Verteidigungsausgaben in diesem Jahr auf mehr als 100 Milliarden Dollar verdoppelt – ein Drittel aller öffentlichen Ausgaben – wie aus einem von Reuters eingesehenen Regierungsdokument hervorgeht. Russland hat einen großen Teil des europäischen Gasmarktes verloren. Sein Öl konnte es aber weiterhin auf den Weltmärkten verkaufen, obwohl die USA, Europa und andere Länder ihre Käufe eingeschränkt oder eingestellt haben.

Das Land wurde von den westlichen Finanzmärkten ausgeschlossen. Die meisten seiner Oligarchen sind mit Sanktionen belegt. Zudem hat es Probleme bei der Beschaffung bestimmter Produkte wie Mikrochips. CIA-Chef William Burns sagte Anfang des Jahres, dass Putin Gefahr laufe, Russland im Laufe der Zeit in eine "wirtschaftliche Kolonie Chinas" zu verwandeln. Die beiden Länder arbeiten eng zusammen und wollen eine umfassende strategische Partnerschaft entwickeln.

Die Invasion und die westlichen Sanktionen gegen Russland führten zu einem drastischen Anstieg der Preise für Düngemittel, Weizen, Metalle und Energie. Das löste eine Inflationswelle und eine weltweite Nahrungsmittelkrise aus. Russland ist nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Erdölexporteur der Welt und der weltweit größte Exporteur von Erdgas, Weizen, Stickstoffdünger und Palladium. Kurz nach Russlands Einmarsch in der Ukraine stiegen die internationalen Ölpreise auf den höchsten Stand seit den Rekorden von 2008.

Seit Beginn des Krieges haben die USA der Ukraine mehr als 43 Milliarden Dollar an Hilfen zugesagt, darunter Stinger-Flugabwehrsysteme, Javelin-Panzerabwehrsysteme, 155-mm-Haubitzen und Ausrüstung zum Schutz vor chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Angriffen.

Nach Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft sind die USA, die EU, Großbritannien und Japan die größten Unterstützer der Ukraine, gemessen am Nominalwert. Russland erklärt, die Waffenlieferungen des Westens würden den Krieg eskalieren lassen.