Nach der Verabschiedung der umstrittenen Pensionsreform sind in Frankreich am Montagabend bei Protesten 287 Menschen festgenommen worden, 234 davon allein in Paris. Die Regierung hatte zuvor zwei Misstrauensanträge überstanden, wodurch die Reform, die die Anhebung des Pensionsalters von 62 auf 64 Jahre vorsieht, als angenommen gilt.

Protest in Paris, Straßburg, Dijon, Lyon, Lille

In Paris versammelten sich am Abend Hunderte Menschen in der Nähe der Nationalversammlung, auch in Straßburg, Dijon, Lyon, Lille und anderen Städten gingen Menschen auf die Straße, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Vielerorts wurden Mülltonnen umgeworfen oder angezündet, Barrikaden errichtet oder Steine geworfen. Laut Polizeikreisen wurden in Paris 240 Feuerwehreinsätze gezählt.

Bei der Abstimmung über den ersten fraktionsübergreifenden Antrag hatten laut offiziellem Abstimmungsergebnis lediglich neun Stimmen bis zur absoluten Mehrheit, welche den Sturz der Regierung nach sich gezogen hätte, gefehlt. Auch ein zweiter, vom rechtspopulistischen Rassemblement National eingebrachter Misstrauensantrag scheiterte.

Die Regierung konnte die Reform auf diese Weise verabschieden, weil sie den Verfassungsartikel 49.3 geltend gemacht hatte. Dieser sieht vor, dass ein Gesetz ohne Abstimmung im Parlament durchgesetzt werden kann, wenn die Regierung anschließend eingebrachte Misstrauensanträge übersteht. Die Regierung konnte auf die Stimmen der konservativen Republikaner zählen. Von denen stimmten aber letztlich 19 Abgeordnete mit der Opposition für den fraktionsübergreifenden Antrag.

Nach einer am Montag veröffentlichten Umfrage hatten etwa zwei Drittel der Französinnen und Franzosen auf einen Sturz der Regierung gehofft. Das von der Regierung durchgesetzte Schnellverfahren hatte die wütenden Proteste gegen die Reform weiter angeheizt.

Pensionsantrittsalter von 62 auf 64 Jahre

Die von Präsident Emmanuel Macron vorangetriebene Reform sieht unter anderem vor, das Pensionsantrittsalter schrittweise bis 2030 von 62 auf 64 Jahre zu erhöhen. Zudem sollen die Mindestpension bei voller Beitragszeit auf 1200 Euro angehoben und die Beschäftigung von Senioren gefördert werden. Das Vorhaben sorgt seit Wochen landesweit für Proteste in Frankreich, bei denen sich auch viel Unmut über die Inflation, Politikverdrossenheit und eine wachsende Ablehnung des Präsidenten ausdrücken.

Erwartet wird, dass Linke und Rechtsnationale im Streit um die Reform am Dienstag den Verfassungsrat anrufen werden. Sie wollen dort das Vorgehen der Regierung überprüfen lassen, die durch ein beschleunigtes Verfahren die Debattenzeit für die Reform im Parlament verkürzte und die Reform in einem Haushaltstext unterbrachte. Außerdem wollen die Linken versuchen, die Reform mit einem Referendum zu verhindern. Schon für Donnerstag sind zudem weitere Streiks und Proteste gegen die Reform geplant.