Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu trifft am Donnerstag in Berlin den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der Besuch in Deutschland wird überschattet von einem erbitterten Streit in Israel um eine Justizreform, die Netanyahus rechts-religiöse Regierung vorantreibt. Auch in Berlin wird am Donnerstag mit Protesten gerechnet. Auch in Israel selbst gab es im Vorfeld des Besuchs Proteste.

Bereits in der Nacht zeichneten Künstler in Jerusalem eine dicke rote Linie auf der Straße, die zum Höchsten Gericht führt. Diese sollte die Verbindung zwischen einer unabhängigen Justiz und der Meinungsfreiheit symbolisieren. Fünf Künstler wurden nach Polizeiangaben festgenommen. Reservisten der israelischen Marine blockierten unterdessen den Hafen der Küstenstadt Haifa mit Booten. "Die Marine wird nicht in eine Diktatur segeln", hieß es auf großen Bannern entlang der Boote.

Musterungsstelle

In der strengreligiösen Stadt Bnei Brak eröffneten andere Reservisten eine "Musterungsstelle". Sie seien gekommen, "um die Last der Wehrpflicht an die ultra-orthodoxe Bevölkerung zu übergeben", teilten sie nach Medienberichten mit. Ohne Demokratie werde es keine Volksarmee geben. Viele junge strengreligiöse Männer in Israel sind nicht bereit, in der Armee zu dienen. Dies sorgt in anderen Bevölkerungsteilen für großen Zorn. Im Verlauf des Tages waren noch zahlreiche weitere Proteste geplant, auch vor der deutschen Botschaft in Tel Aviv.

Gerichtsentscheide aufheben

Die umstrittene Reform soll dem israelischen Parlament ermöglichen, Entscheidungen des höchsten Gerichts aufzuheben. Kritiker sehen dadurch die Gewaltenteilung in Gefahr. Auch in Berlin wird am Donnerstag mit Protesten gerechnet. Der Besuch wird begleitet von einem Großeinsatz der Polizei. Für den Aufenthalt Netanyahus in Berlin gilt die höchste Sicherheitsstufe. Es wird mit umfangreichen Straßensperrungen und Absperrungen gerechnet.

Im Gespräch Netanyahus mit Scholz soll es um die bilaterale Zusammenarbeit sowie internationale und regionale Sicherheitsfragen gehen. Netanyahu hatte zuletzt Rom besucht und plant auch eine Reise nach London. Nach israelischen Angaben bemüht er sich um eine entschlossene gemeinsame Haltung gegen das iranische Atomprogramm.