Nach den Parlamentswahlen mit dem klaren Sieg der Mitte-Rechts-Allianz um die Rechtsaußen-Politikerin Giorgia Meloni steuert Italien auf einen heißen politischen Herbst zu. Bis zum Einsatz einer neuen Regierung wird es noch mehrere Wochen dauern. Bis dahin wird der scheidende Premier Mario Draghi weiterhin geschäftsführend im Amt bleiben.

Das neue, verkleinerte Parlament, das im Zuge einer Verfassungsreform künftig um ein Drittel geschrumpft ist und nur noch 600 statt 945 Mitglieder zählt, wird erstmals am 13. Oktober tagen. Danach müssen sich die Fraktionen bilden. Ein entscheidender Schritt ist die Wahl der Präsidenten von Abgeordnetenkammer und Senat, was mehrere Tage beanspruchen könnte. Erst danach wird Präsident Sergio Mattarella die politischen Konsultationen für die Regierungsbildung aufnehmen.

Angesichts des Wahlergebnisses mit dem klaren Erfolg der Koalition um Meloni dürften sich die Konsultationen nicht allzu lange hinziehen. Erwartet wird, dass Mattarella die 45-jährige Rechtspolitikerin mit der Regierungsbildung beauftragt, da sie die Chefin der stärksten Koalition im Parlament ist. Die Römerin könnte somit als erste Frau in Italien Regierungschefin werden.

Der italienische Präsident, der laut Verfassung nur über beschränkte Kompetenzen verfügt und hauptsächlich eine Notar-Funktion innehat, indem er vom Parlament verabschiedete Gesetze unterzeichnet, kann den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen oder Neuwahlen ausschreiben, sollte er feststellen, dass es unmöglich ist, mit der aktuellen Mehrparteienkoalition weiter zu regieren. Das wird diesmal nicht der Fall sein.

Seit den Parlamentswahlen im März 2018 hat der 81-jährige Katholik Mattarella bereits öfter eine aktive Rolle in den politischen Geschehnissen gespielt. 85 Tage lang dauerten die schwierigen Verhandlungen, bis im Juni 2018 die Populisten-Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung mit dem Anwalt Giuseppe Conte als Quereinsteiger an der Spitze aus der Taufe gehoben wurde. Nur ein Jahr später folgte eine Regierungskrise, nachdem Lega-Chef Matteo Salvini die Koalition sprengte, um Neuwahlen zu erzwingen. Erneut sondierte Mattarella und erteilte im Sommer 2019 Conte den Auftrag zur Bildung einer Mitte-Links-Regierung aus Fünf Sternen und Sozialdemokraten. Auch im Februar 2021 war Mattarella bei der Beauftragung von Ex-EZB-Chef Mario Draghi zum neuen Premier nach dem Sturz Contes entscheidend.

Italien wagt ein Abenteuer in Zeiten multipler Krisen

Italien braucht so schnell wie möglich eine Regierung. Bis Jahresende muss das Haushaltsgesetz von beiden Parlamentswahlen verabschiedet werden. Italien muss außerdem eine Reihe von Dekreten verabschieden, dank denen es Zugang zu einem Teil der Finanzierungen in Höhe von 200 Milliarden Euro, die das Land von dem EU-Wiederaufbauprogramm erhält. Italien ist der größte Nutznießer des Konjunkturprogramms.