Wie kraftvoll die weißrussische Opposition geworden ist, lässt sich an der Reaktion des Regimes ablesen, das offensichtlich um seine Macht fürchtet: Massenverhaftungen, brutalste Folter, Verleumdungen, Entführungen. Es ist eine Brutalität und Repression, die man in Europa im 21. Jahrhundert nicht mehr für möglich gehalten hätte.

Gesicht der Protestbewegung wurde ein Frauen-Trio: Swetlana Tichanowskaja und ihre beiden Mitstreiterinnen Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo. Der Styria-Medienkonzern verleiht den Fritz-Csoklich-Demokratiepreis 2021 an die drei Anführerinnen der Oppositionsbewegung in Weißrussland (Belarus). Sie stehen symbolisch für die Bewegung, die Lukaschenko Wahlfälschung vorwirft und Neuwahlen unter fairen Bedingungen einfordert. Aufgrund des Corona-Lockdowns musste die feierliche Zeremonie, die für Montag Abend geplant war, abgesagt werden. Die Übergabe des Preises erfolgt nun in kleinstem Rahmen und unter Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen. Am Wochenende noch waren Gegner der Corona-Maßnahmen mit „Diktatur-Rufen“ durch Wien gezogen. Jetzt nahmen mit Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo zwei Frauen den Preis entgegen, die wissen, was Diktatur wirklich bedeutet – in ihrer Heimat, wo Demonstrationen und Freiheitsrufe mit Festnahme und Folter enden.

Ihre Mitstreiterin Maria Kolesnikowa konnte nur in Abwesenheit geehrt werden: Sie wurde vom Regime Lukaschenkos zu elf Jahren Haft verurteilt und befindet sich in Isolationshaft.

"Unter Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens kämpft die Demokratiebewegung und ihre Anhängerinnen und Anhänger für die Absetzung von Diktator Alexander Lukaschenko ", heißt es in der Begründung der Jury. Lukaschenko wird auch von der EU nicht mehr als Präsident Weißrusslands anerkannt. "Diese Bewegung, dieser Mut entsprechen sehr einem Leitsatz von Fritz Csoklich, die Freiheit beim Wort zu nehmen, sowie seinem Engagement für die Demokratiebewegung in Osteuropa schon vor dem Fall des Eisernen Vorhangs", erklärt die Jury weiter.

Aufruf für mehr Unterstützung

Der Preis, der nach dem langjährigen Chefredakteur der Kleinen Zeitung benannt ist, versteht sich als Aufruf an die österreichische Politik und Zivilgesellschaft, die mutige Freiheitsbewegung in Weißrussland stärker zu unterstützen.



Das Schicksal jeder der drei Frauen ist geprägt von der Gewalt des Regimes. Tichanowskaja, die bei der Präsidentschaftswahl ins Rennen zog, nachdem ihr Mann verhaftet wurde, organisiert den Widerstand heute von Litauen aus. Sie ging ins Exil, nachdem sie Drohungen erhielt, dass sie inhaftiert und ihre Kinder in ein Waisenhaus gebracht würden.

"Verschwunden"

Auch Veronika Zepkalo ging nach Drohungen mit ihren Kindern ins Exil. Maria Kalesnikowa (auch: Kalesnikava), die früher in Deutschland als Musikerin tätig war, "verschwand" Anfang September 2020; später fand ihre Familie sie im Gefängnis wieder. Die Flötistin, die sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt hatte, wurde angeklagt wegen "Verschwörung zur verfassungsfeindlichen Machtergreifung". Ihr drohen bis zu zwölf Jahre Haft. Die Führung der Opposition hat sich mittlerweile im Koordinierungsrat organisiert, der versucht, einen friedlichen Machtwechsel einzuleiten und die Freilassung der politischen Gefangenen fordert. Trotz der Gefahren für Leib und Leben halten die Weißrussen an Protestaktionen fest.

Zum Landen gezwungen

Wie weit das Regime zu gehen bereit ist, zeigte sich zuletzt drastisch am Beispiel des jungen Bloggers Roman Protassewitsch: In einer international scharf kritisierten Aktion zwangen die weißrussischen Behörden eine Passagiermaschine, in Minsk zwischenzulanden, um den Blogger und dessen Freundin festzunehmen. In der Folge mussten beide vor laufenden Kameras erzwungene Geständnisse abgeben – Protassewitsch trug Folterspuren im Gesicht. "Der Preis versteht sich als Ermutigung an die Demokratiebewegung in dieser für sie so schwierigen und schmerzhaften Zeit", sagt Kleine-Zeitung Chefredakteur Hubert Patterer.