Während in Genf angesichts der Sicherheitsvorkehrungen die Straßen im Zentrum wie leergefegt sind, wartet die Stadt gespannt auf die Ankunft ihres russischen Gasts: für 12.30 Uhr wird die Ankunft Wladimir Putins erwartet. Vor Kurzem brach seine Maschine von Sotschi aus Richtung Genf auf.

Für US-Präsident Joe Biden , der schon am Dienstag ankam, beginnt mit dem Gipfel der härteste Teil seiner Europa-Reise. So jovial wie in Brüssel bei EU und Nato werden die Gespräche mit Putin wohl nicht laufen.

Im April hatte Biden dem Kreml-Chef ein Treffen vorgeschlagen. Zu einem Zeitpunkt, als Russland einen massiven Truppenaufmarsch an der Grenze der Ukraine inszenierte und die Muskeln spielen ließ. Die Beziehungen sind, zumindest darin sind sich beide Seiten einig, auf einem Tiefpunkt angelangt. Auch persönlich. Es ist nicht lange her, dass Biden eine Reporterfrage, ob er Putin für einen „Killer“ halte, bejahte. Das sorgte für Empörung in Moskau.



Putin selbst reagierte gelassen. Diese Ausdrucksweise sei im von Hollywood geprägten Amerika nicht unüblich. Er selbst blieb zurückhaltend. Biden sei ein „Karriere-Mensch“, der sein ganzes Leben in der Politik verbracht hat, sagte Putin vor dem Gipfel. Und auch Biden ruderte zurück: „Putin ist klug. Er ist zäh. Und ich habe festgestellt, dass er ein, wie man beim Ballspielen sagt, würdiger Gegner ist“, meinte er.

Streitpunkte

Das dürfte den Grundton für den Gipfel vorgeben. Biden hat vor, die heiklen Punkte anzusprechen. Großartige Durchbrüche in schwierigen Fragen wie der Ukraine, den Cyberangriffen oder den Menschenrechten erwartet man sich in Washington von diesem Treffen nicht.

Und doch ist Biden wie Putin seit Jahrzehnten in der Politik. Sie sind Profis und können einander einschätzen. Einen pragmatischen und sachlichen Umgang miteinander zu finden, wäre für beide Seiten ein Erfolg. Biden weiß, dass es für Russland bedeutend ist, als Weltmacht anerkannt und respektiert zu werden. Seit der Ukraine-Krise haben westliche Politiker Putin gemieden; Russland rutschte zunehmend in die Isolation.

Rote Linien

Allein mit dem Vorschlag eines Gipfeltreffens in Genf, mit dem Hauch der Ost-West-Gipfel aus der Zeit des Kalten Krieges, hat Biden Putin eine Tür zum Dialog geöffnet. Den wollte auch Donald Trump. Doch seine Anbiederung an Putin und seine Sprunghaftigkeit halfen nicht weiter.
„Ich werde Präsident Putin zu verstehen geben, dass es Bereiche gibt, in denen wir zusammenarbeiten können, wenn er sich dafür entscheidet“, sagte Biden im Vorfeld. Das bezieht sich auf Rüstungsfragen oder den Kampf gegen den Klimawandel. „Und in den Bereichen, in denen wir nicht übereinstimmen, werde ich klarmachen, was die Roten Linien sind.“

Wunder erwartet sich Biden keine: „Es gibt keine Garantie dafür, dass man das Verhalten einer Person oder das Verhalten eines Landes ändern kann.“