Die Limousine des Papstes war mit Blüten bedeckt, die Gläubige zur Begrüßung geworfen hatten. Als Papst Franziskus am Sonntag in der nordirakischen Stadt Mossul eintraf, war aber auch noch die Verwüstung zu sehen, unter der der Irak bis heute leidet. Am vierten und vorletzten Tag seiner Irak-Reise, dem ersten Besuch des Oberhauptes der katholischen Kirche in dem Land überhaupt, sprach Franziskus vor den Ruinen einer zerstörten Kirche in Mossul ein Gedenkgebet für die Opfer des Terrorismus im Irak. 

„Wenn Gott ein Gott des Lebens ist, und das ist er, dann ist es uns nicht erlaubt, Brüder und Schwestern in seinem Namen zu töten“, sagte der 84-Jährige. In Gottes Namen dürften keine Kriege geführt werden. „Wenn Gott der Gott der Liebe ist, und das ist er, dann dürfen wir die Brüder und Schwestern nicht hassen“, fügte Franziskus hinzu. In Mossul seien die „tragischen Konsequenten des Krieges und der Feindseligkeiten nur allzu sichtbar“. Die wahre Identität der Stadt bestehe im harmonischen Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft und Kulturen. Am Ende der Begegnung ließ der Papst eine weiße Friedenstaube fliegen.

Messe in Erbil

Sieht man einmal von der Messe im Stadion von Erbil mit mehreren Tausend Gästen ab, die Franziskus am Sonntagabend feiern wollte, prägten beinahe schon intime Begegnungen den historischen Besuch des Papstes im Irak. Aus Sicherheitsgründen, aber auch, weil die christliche Gemeinde im Irak auf wenige Hunderttausend Mitglieder geschrumpft ist, waren die meisten Begegnungen wenigen Besuchern vorbehalten. Von Freitag bis Montag reiste Franziskus durch das Land, nicht nur um den wenigen noch verbliebenen Christen Mut zuzusprechen, sondern vor allem um für Frieden und den Dialog der Religionen zu werben. 

Der Besuch am Sonntagmorgen in Mossul vor wenigen ausgewählten Gästen war vor kurzer Zeit noch unvorstellbar gewesen. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatten die Stadt 2014 erobert und zur Hauptstadt ihres Kalifats ausgerufen, eine halbe Million Menschen, darunter 120 000 Christen ergriffen die Flucht. Erst 2017 brachten irakische Staatskräfte die Stadt wieder in ihre Gewalt. Seit der US-Invasion im Jahr 2003 herrschen instabile Verhältnisse im Irak. Wegen der Sicherheitsrisiken war bis zuletzt nicht sicher, ob viertägige die Reise von Franziskus stattfinden konnte. Von Mossul aus besuchte Franziskus am Sonntag auch die christliche Gemeinde in der Stadt Karakosch in der Ninive-Ebene.

Treffen mit Symbolkraft

Höhepunkte der am Montagvormittag zu Ende gehenden Reise waren zweifellos die Begegnung am Samstag mit dem schiitischen Großajatolla Ali al Sistani in Nadschaf sowie ein interreligiöses Treffen in der Ruinenstadt Ur, laut Altem Testament der Heimat des Stammvaters Abraham. Das private Treffen des Papstes mit al Sistani fand hinter verschlossenen Türen statt, hatte aber große symbolische Bedeutung und reihte sich in den Besuch von Franziskus 2019 in Abu Dhabi ein, wo der Papst mit dem sunnitischen Großimam Ahmad Mohammad Al-Tayyeb ein „Dokument über die Geschwisterlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“ unterzeichnete.

Der 90 Jahre alte und gesundheitlich angeschlagene Al Sistani und Franziskus unterzeichneten kein Schreiben, aber sprachen 45 Minuten in der unscheinbaren Residenz des Großajatollas in Nadschaf. Nach Angaben von Sprechern waren sich beide der „großen Herausforderungen für die Menschheit in dieser Epoche wegen Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Armut, religiöser Verfolgung und Beschneidung der Freiheiten“ bewusst. Franziskus dankte dem Großajatolla, „weil er zusammen mit der schiitischen Gemeinde angesichts der Gewalt der vergangenen Jahre seine Stimme zur Verteidigung der Schwächsten und Verfolgten erhoben“ habe. Beobachtern zufolge handelte es sich bei der Begegnung um einen „Meilenstein“ im interreligiösen Dialog.

Im Irak sind rund 60 Prozent der etwa 39 Millionen Einwohner Schiiten, im weltweiten Islam dominieren hingegen die Sunniten. Trotz des Einflusses des Iran konnten die irakischen Schiiten bislang weitgehend ihre Unabhängigkeit bewahren, auch dank Religionsführern wie Al Sistani.

Am Samstag hatte der Papst zudem ein interreligiöses Friedenstreffen in der südirakischen Stadt Ur geleitet. Franziskus betete dort zusammen mit Vertretern von Muslimen, Christen, Jesiden und Abgesandten des Zoroastrismus. Jüdische Repräsentanten waren nicht anwesend. Franziskus sprach in einem von ihm selbst verfassten „Gebet der Kinder Abrahams“ dennoch: „Wir, die Söhne und Töchter Abrahams, die dem Judentum, dem Christentum und dem Islam angehören, danken dir zusammen mit anderen Gläubigen und allen Menschen guten Willens, dass du uns Abraham als gemeinsamen Vater im Glauben geschenkt hast.“ Frieden könne es nicht geben „ohne Völker, die anderen Völkern die Hand reichen“.