Im Frühjahr galt Portugal noch als europäischer Musterknabe, der dank schneller Reaktionen und vorbildlicher Schutzmaßnahmen in der Corona-Krise vergleichsweise glimpflich davonkam. Doch jetzt, im Sommer, hat sich das Blatt gewendet.

Statt Erfolgsmeldungen kommen nun Corona-Hiobsbotschaften aus dem beliebten Urlaubsland, in dem im vergangenen Jahr 27 Millionen ausländische Touristen Ferien machten. Denn Portugal ist neuerdings, nach Schweden, das EU-Land mit dem höchsten Anstieg an Corona-Neuinfektionen.

Ausgangssperre

Die Lage ist so bedenklich, dass die Regierung in 19 Vorstädten rund um die Metropole Lissabon nun wieder das Ausnahmerecht verhängte und die Bewegungsfreiheit der Bürger einschränkte. So wie es bereits von Mitte März bis Anfang Mai, auf dem Höhepunkt der Epidemie, im ganzen Land der Fall war.

Vom 1. Juli an sollen die Bürger in den betroffenen Gemeinden möglichst nur zum Einkaufen, zum Arbeiten und für Arztbesuche auf die Straße. Der sozialistische Regierungschef António Costa sagte, die Erfüllung der Ausgehsperre sei „bürgerliche Pflicht“.

In der Alfama, der Altstadt in Lissabon
In der Alfama, der Altstadt in Lissabon © APA/AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA

Das touristische Zentrum Lissabons ist von den Ausgangsbeschränkungen noch nicht betroffen, wohl aber der an der Peripherie liegende Stadtteil Santa-Clara. Insgesamt müssen nun rund eine Million Portugiesen, die überwiegend in den nord-westlichen Vorstädten Lissabons wohnen, wieder zu Hause bleiben.

In der City Lissabons wird wegen des steigenden Corona-Risikos der Handel eingeschränkt: Mehrere große Märkte wurden verboten. Die Einzelhandelsgeschäfte, die zuweilen bis spät in der Nacht aufhaben, müssen nun um 20 Uhr zumachen. Restaurants schließen wie bisher gegen 22 Uhr.

Die Zahl der Neuinfektionen liegt in Portugal inzwischen so hoch, dass etliche europäische Regierungen mittlerweile vor einem Urlaub in dem südeuropäischen Land am Atlantik abraten. „Vor allen Reisen nach Portugal wird aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus gewarnt“, heißt es zum Beispiel in den aktuellen Landesinfos des österreichischen Außenministeriums.

Die deutsche Regierung beschränkte sich am Freitag noch auf den Hinweis, dass „aufgrund der weiterhin steigenden Neuinfektionen“ im Großraum Lissabon einige Lockerungsmaßnahmen zurückgenommen worden seien. Die Deutschen sind nach den Briten die zweitstärkste Besuchernation in Portugal.

332 neue Fälle binnen 24 Stunden

Nach der Statistik des EU-Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) registrierte Portugal in den letzten sieben Tagen alle 24 Stunden im Schnitt 332 neue Corona-Fälle. Drei Viertel aller Erkrankungen werden derzeit aus dem Großraum Lissabon gemeldet.

Pro 100.000 Einwohner werden in Portugal derzeit wöchentlich 22,6 Fälle erfasst. Nur in Schweden sieht es mit 76,7 Infektionen pro 100.000 Menschen noch schlechter aus. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Zahl derzeit bei 4,8. Auch andere beliebte Urlaubsländer wie etwa Spanien (4,1), Frankreich (4,0), Österreich (3,1) Italien (2,6) oder Griechenland (0,8) stehen deutlich besser als Portugal da.

Mit der sich verschärfenden Corona-Krise in Lissabon könnte auch das Champions-League-Spektakel vom 12. bis 23. August in Lissabon in Gefahr geraten. Die noch ausstehenden Viertel- und Halbfinalrunden sowie das Endspiel waren von der UEFA in die portugiesische Hauptstadt verlegt worden – weil man dachte, dass dort die Epidemie unter Kontrolle sei.

Auch an der Algarve-Küste, Portugals wichtigster Urlaubshochburg, macht man sich Sorgen. Bisher war die Algarve weitgehend verschont geblieben von der Epidemie. Die meisten der bisher in ganz Portugal durch Tests bestätigten 40.500 Fälle wurden aus den beiden großen Ballungsgebieten Lissabon und Porto gemeldet. Doch seit nach einer illegalen Massenparty im Algarve-Ort Odiáxere binnen weniger Tage schon mehr als 100 Menschen erkrankten, steigt auch dort das Risiko.