Atemberaubende Steilküsten, einzigartiges Vulkangestein, romantische Sonnenuntergänge, dazu noch kulinarische Köstlichkeiten: Santorin ist für schwärmerische Hellas-Liebhaber die wohl schönste unter den so zahlreichen schönen griechischen Inseln. Wer noch nicht da war, der will irgendwann mal auf das kleine griechische Archipel im Süden der Kykladen. 

Gut 34 Millionen Urlauber aus dem Ausland reisten im Jahr 2019 nach Hellas. Davon kamen rund zwei Millionen allein nach Santorin. Zu Spitzenzeiten drängten mehr als 70.000 Touristen täglich durch die malerischen Gassen, tausende Paare aus aller Welt feierten hier ihre Hochzeit, viele davon aus China. Im Reich der Mitte avancierte Santorin zur Hochzeitshochburg in Europa.    

Mit der Flut der Touristen wuchsen von Jahr zu Jahr die Probleme, mit denen das Eiland zu kämpfen hatte. Ob ein kaum zu deckender Wasser- und Stromverbrauch, überbordende Probleme bei der Müllbeseitigung, klagende Winzer oder Wohnengpässe für Inselbewohner samt horrender Kauf- und Mietpreise für Immobilien: Die Perle der Ägäis litt von Jahr zu Jahr mehr unter dem Tourismus. Die Frage, die sich nicht nur die knapp 20.000 ständigen Inselbewohner stellten, lautete: "Wie viele Touristen kann Santorin noch verkraften?" Stichwort: Übertourismus. Santorin wurde so zum Inbegriff der Reiseziele, in denen der Tourismus zugleich Fluch und Segen war. 

Monokultur Tourismus

Doch in diesem Sommer ist alles anders. Der Grund: Das Coronavirus. Der hochansteckende, tückische Killer hat die Urlaubsdestination Griechenland in seinen Grundfesten erschüttert. Experten rechnen damit, dass der griechische Tourismus heuer im Vergleich zum Vorjahr einen Einbruch um bis zu 70 Prozent erlebt. 

Urlaub in Santorin im Zeichen der Coronakrise
Urlaub in Santorin im Zeichen der Coronakrise © AFP

Santorin lebt fast ausschließlich vom Tourismus. Diese Monokultur, in der die Reisebranche schon längst die Rolle der Schwerindustrie für die einheimische Wirtschaft übernommen hat, rächt sich jetzt. Die Corona-Pandemie trifft die Griechen ökonomisch mit voller Wucht, vor allem in den normalerweise hochfrequentierten Urlaubsregionen. Weil Veränderungen aber dauern, versucht die Athener Regierung unter Premierminister Kyriakos Mitsotakis zu retten, was zu retten ist.   

Griechenlands Premier Mitsotakis
Griechenlands Premier Mitsotakis © AP

Mitsotakis' Eifer ist bemerkenswert. Am Samstag stieg auf Santorin eine groß angelegte Inszenierung, die den Start, besser: Neustart, des griechischen Tourismus markieren soll. Premier Mitsotakis begab sich symbolkräftig auf die Insel Santorin, um mit geballter Medienpräsenz die dieses Jahr verspätete Öffnung des griechischen Tourismus zu verkünden.

Der gewählte Zeitpunkt ist kein Zufall. Am 15. Juni, zwei Tage nach der medialen Fiesta auf Santorin, können Griechenlandreisende von zahlreichen Flughäfen in Europa wieder ohne Corona-Test einreisen. Damit fällt auch die Quarantänepflicht weg. Davon profitieren Reisende, die von Airports starten, die nicht auf der "Schwarzen Liste" der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EADS) mit Flughäfen in besonders vom Coronavirus betroffenen Regionen aufgeführt sind. Die Flughäfen in Deutschland, Österreich und der Schweiz fehlen auf der EADS-Liste. Hier gilt: Freie Bahn nach Griechenland.   

Am 15. Juni wird gestartet

Ferner öffnen am 15. Juni auch die saisonal geöffneten Hotels in Griechenland, nachdem am 1. Juni bereits die ganzjährig betriebenen Unterkünfte wieder ihre Pforten öffnen durften. Ob der Besuch von Mitsotakis auf Santorin mit viel Tamtam wirklich der Startschuss für den griechischen Tourismus bedeutet, bleibt jedoch abzuwarten. Denn die Stimmung unter den griechischen Hotelbetreibern ist gegenwärtig mehr als durchwachsen. Viele lassen schon jetzt den Kopf hängen, sie wollen erst gar nicht ihre Unterkunft öffnen. 

Das ist kein Wunder. Nachdem mit dem Lockdown bis Mitte Juni faktisch die halbe Tourismussaison gelaufen ist, hält die im März begonnene massive Storno-Welle für Buchungen in griechischen Hotels nach Informationen dieser Zeitung auch für die zweite Junihälfte, den Juli sowie August an. 

Insbesondere die griechischen Inseln, die fast ausschließlich Flugreisende bedienen und nur zeitraubend und teuer mit dem Auto erreichbar sind, sind betroffen. Sporadische Neubuchungen sind nur für die Nachsaison, namentlich für Oktober, zu verzeichnen. Kehrt sich der negative Trend in Sachen Griechenlandurlaub nicht rasch um, stellt sich für das Gros der hellenischen Hotelbetreiber unvermeidlich die Frage: "Lohnt es sich für mich überhaupt, in diesem Sommer aufzusperren?"

Doch Mitsotakis gibt nicht auf. Damit seine Botschaft vor allem im Ausland medienwirksam vernommen wird, unterbreitete die Regierung Mitsotakis der akkreditierten Auslandspresse in Griechenland ein attraktives Angebot. Konkret: Wer am Samstag Mitsotakis' Auftritt in Santorin vor Ort covern wollte, konnte im von der Regierung gecharteten Flieger der griechischen Fluggesellschaft Aegean Airlines mit. Umsonst. Und dies, obgleich am gleichen Tag allein Aegean Airlines vier Linienflüge von Athen nach Santorin und wieder zurück anbot. Kostenpunkt für ein Flugticket: 160 Euro.  

Los ging es für den Gratis-Flieger vom Athener Airport "Eleftherios Venizelos" am Samstagmorgen, zurück erst abends, damit die Medienschaffenden für die Auslandspresse "noch am Samstagabend ihre Berichte aus Santorin schicken können". 

Eine Übernachtung war nicht geplant. Wie auch? Fast alle Hotels auf Santorin sind derzeit zu, Touristen sind weit und breit nicht zu sehen. Wer unter den Vertretern der Auslandspresse dennoch ein mulmiges Gefühl für das unverhohlene Sponsoring bei der Flugbeförderung nach Santorin und wieder zurück hat, bot Mitsotakis und Co. auch noch einen Ausweg aus der Sackgasse in Sachen Compliance und Pressekodex an: Wer mochte, konnte den SOS-Kinderdörfern in Griechenland einen Spendenbetrag überweisen.   

Pikant ist aber auch der Umstand, dass die ins Straucheln geratene Fluggesellschaft Aegean Airlines offiziell angekündigt hat, im Rahmen der Rettung von corona-geplagten Unternehmen vom griechischen Staat garantierte Kredite in Höhe von kumuliert 150 Millionen Euro von vier griechischen Banken aufzunehmen. 

Eine Staatsbeteiligung bei Aegean Airlines peilt die Regierung Mitsotakis nicht an, die Aegean-Aktionäre sehen diesen Umgang naturgemäß mit Wohlwollen. Kritiker monieren hingegen, die private Aegean Airlines, bisher das nationale Aushängeschild in puncto privates Unternehmertum in Hellas, verhalte sich "wie ein ungezogenes Kind über den Wolken".