Ministerpräsident Giuseppe Conte berichtet in einer Ansprache am Dienstag (20. August) dem Parlament. Der parteilose Regierungschef könnte sich einem von der Lega geforderten Misstrauensvotum unterziehen oder sofort zurücktreten.

Die Fünf-Sterne-Bewegung sieht keinen Spielraum mehr, um die zerbrochene Allianz mit der rechten Lega um Innenminister Matteo Salvini wiederzubeleben. Sie fordert den Rücktritt der Minister der Lega, nachdem ihre Partei einen Misstrauensantrag gegen Conte eingereicht hat. Noch ist unklar, ob sich der Regierungschef kommende Woche dem Misstrauensvotum unterziehen wird. Er könnte nach seiner Ansprache am Dienstag auch beschließen, bei Staatspräsident Sergio Mattarella seinen Rücktritt einzureichen. Damit würde er den Weg zu Neuwahlen oder zu einer Übergangsregierung ebnen.

Vorwurf des "Verrats"

Die Fünf-Sterne-Bewegung wirft der Lega "Verrat" vor. Salvini hatte am 9. August die Koalition mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung nach nur 14 Monaten für gescheitert erklärt und wollte mithilfe eines raschen Misstrauensantrags Conte vergangene Woche zum Rücktritt zwingen. Der Versuch scheiterte jedoch.

Das Ziel der Lega ist eine Neuwahl bis Ende Oktober. Sie führt derzeit in Umfragen und erreicht Zustimmungsraten von 36 bis 38 Prozent. Inzwischen scheint Salvini aber daran zu zweifeln, dass sein politisches Kalkül aufgeht. Sein Plan, Conte zu stürzen, kommt bei einigen Lega-Anhängern nicht so gut an, wie sich der Parteichef erhofft hatte. Die Gefolgschaft hatte Salvinis Facebook-Seite mit wütenden Kommentaren überflutet, ihn wegen des Bruchs mit dem Koalitionspartner Fünf Sterne scharf attackiert und ihm "Verrat" vorgeworfen.

Gravierende Divergenzen

Eine kompakte Front aus den oppositionellen Sozialdemokraten (Partito Democratico/PD) und der Fünf-Sterne-Bewegung stemmt sich unterdessen gegen Salvinis Forderung nach vorgezogenen Parlamentswahlen mit der Begründung, Italien brauche eine funktionsfähige Regierung, die den Budgetentwurf für 2020 unter Dach und Fach bringt. Die beiden Parteien haben auch ein massentaugliches Argument: Die ohne Budgetbeschluss drohende Mehrwertsteuererhöhung von 22 auf 25 Prozent. Dies hatte die Regierung heuer verhindert, doch fehlen dadurch 23 Milliarden Euro an Steuereinnahmen, die woanders aufgetrieben werden müssen. Nicht ausgeschlossen wird eine Übergangsregierung aus PD und Fünf-Sterne-Bewegung, wogegen sich Salvini scharf wehrt.

Lega und Fünf Sterne regieren seit Juni 2018 in einer Koalition. Zwischen den beiden Parteien war es zuletzt immer wieder zu gravierenden Divergenzen in der Umsetzung entscheidender Punkte des Regierungsprogramms gekommen, vor allem in Sachen Autonomie, Justizreform, Migrations- und Sicherheitspolitik. Der Streit hatte sich nach den EU-Parlamentswahlen im Mai, aus denen die Lega mit 34 Prozent als stärkste Einzelpartei hervorgegangen war, noch mehr zugespitzt. Die Fünf-Sterne-Bewegung hatte ihre Wählerstimmen gegenüber den Parlamentswahlen im März 2018 auf 17 Prozent halbiert.

Verworrene Situation

Noch unklar bleibt unterdessen, was mit der Reform zur Verkleinerung des Parlaments, einem Hauptanliegen der beiden Regierungsparteien Lega und Fünf-Sterne-Bewegung, werden soll. Die Abgeordnetenkammer prüft am Donnerstag die Reform, mit der die Zahl der Parlamentarier um ein Drittel gekürzt werden soll. Die beiden Regierungsparteien verfügen über die notwendigen Stimmen, um die Reform unter Dach und Fach zu bringen. Sollte Conte am Donnerstag bereits zurückgetreten sein, kann die Reform jedoch nicht verabschiedet werden.

In dieser verworrenen Situation muss die Regierung noch den Namen ihres EU-Kommissars bekanntgeben. Bisher hatte sich die Regierung Conte noch auf keinen Kandidaten geeinigt, sie hatte jedoch einen Kommissar mit Wirtschaftskompetenzen beansprucht. Nach dem Sieg bei den EU-Parlamentswahlen will die Lega über den EU-Kommissar entscheiden, dessen Name bis 26. August der EU-Kommission mitgeteilt werden muss.