Im letzten deutschsprachigen Fernsehduell vor der Europawahl hat sich der Sozialdemokrat Frans Timmermans für eine Abschaffung von Kurzstreckenflügen ausgesprochen. Allerdings müsse es als Ersatz gute Bahnverbindungen geben, sagte der Niederländer Donnerstagabend im TV-Duell des ZDF, das auch auf ORF III übertragen wurde. Eine der TV-Moderatorinnen war ORF-Redakteurin Ingrid Thurnher.

Timmermans christdemokratischer Kontrahent Manfred Weber äußerte sich etwas vorsichtiger zu den Kurzstreckenflügen. Er wolle Kurzstreckenflüge nicht gesetzlich abschaffen, sagte der CSU-Politiker. Doch plädierte auch er dafür, sie „durch eine gute Bahn“ zu ersetzen.

Klarnamen in sozialen Netzwerken

Manfred Weber hat sich außerdem für eine Klarnamen-Pflicht in sozialen Netzwerken ausgesprochen. Das bedeutet, dass im Internet keine Spitz- oder Tarnnamen mehr verwendet werden dürften.

Timmermans lehnt eine solche Klarnamen-Pflicht dagegen ab. Das sei übertrieben, sagte der Niederländer. Weber stellte sich auch noch einmal ausdrücklich hinter die umstrittene Copyright-Richtlinie. Die Furcht der Gegner vor Zensur sei unbegründet, sagte der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei. Sollte sie sich tatsächlich bewahrheiten, werde er als Chef der EU-Kommission die Richtlinie wieder ändern, erklärte Weber.

Der Deutsche Weber, Vizechef der CSU, und der Niederländer Timmermans, bisher Vizepräsident der EU-Kommission, bewerben sich beide um die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Zunächst kämpfen sie jedoch darum, mit ihren Parteienfamilien im nächsten Europaparlament die stärkste Fraktion zu stellen. Die Europawahl findet von 23. bis 26. Mai statt.

Erneuerbare Energien

Einig zeigten sich die beiden Spitzenkandidaten bei der Ablehnung der Atomkraft. Weber forderte einheitliche europäische Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke. Bisher liege das in der Hand der nationalen Behörden. Die Zukunft liege ohnehin in einer eigenständigen europäischen Energieversorgung durch erneuerbare Energien.

Timmermans sagte: „Ich habe Deutschland immer bewundert für den Atomausstieg.“ Deutschland habe den Weg gezeigt. „Ich hoffe, andere werden folgen“, sagte der Niederländer.

Die Kandiaten in Nahaufnahme

Weber: Der CSU-Politiker Manfred Weber sitzt seit 2004 im Europaparlament. Seit 2014 führt er die Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei mit mehr als 200 Abgeordneten aus der ganzen EU. Der 46-Jährige ist kein Freund offener Konfrontation, sondern kämpft lieber im Hintergrund für seine Ziele. Im Wahlkampf tourt der Niederbayer allerdings unermüdlich durch Europa und präsentiert sich als heimatverbundener Europäer, der die EU wieder näher an ihre Bürger bringen möchte.

Timmermans: Der Niederländer ist seit 2014 Stellvertreter von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Zuständig für Fragen des Rechtsstaats, legte sich der 58-Jährige in den vergangenen Jahren mit den Regierungen in Polen, Ungarn und Rumänien an. Aus diesen Ländern schlägt ihm teils offene Feindseligkeit entgegen. Der Diplomatensohn und frühere Außenminister spricht sieben Sprachen und hofft auf eine Mehrheit mit Grünen, Liberalen und Linken im Parlament.

Einige ihrer Themen und Positionen

Umwelt- und Klimaschutz
Weber: Der Christdemokrat will sich für ein weltweites Verbot von Einwegplastik sowie für eine Steuer auf Flugzeugtreibstoff einsetzen. Eine verpflichtende Abgabe auf den Ausstoß von klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2) lehnt er allerdings ab.

Timmermans: Der Sozialdemokrat hält im Gegensatz zu Weber eine CO2-Steuer für den Klimaschutz für unerlässlich. Eine Kerosinabgabe befürwortet er ebenso.

Arbeit, Soziales & Unternehmen

Timmermans: Um die Ungleichheit zwischen armen und reichen Ländern zu verringern, fordert Timmermans die Einführung eines EU-weiten Mindestlohns. Dieser soll in jedem Mitgliedsland etwa 60 Prozent des jeweiligen nationalen mittleren Einkommens entsprechen. Zudem spricht er sich dafür aus, die Position von Gewerkschaften zu verbessern, damit sie für die Beschäftigten bessere Löhne und Gehälter aushandeln können. Auch für eine europäische Arbeitslosenversicherung will er sich einsetzen.

Weber: Der Deutsche lehnt die Forderung nach einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung und nach einem EU-weiten Mindestlohn ab. Stattdessen will er lieber dafür sorgen, die Position von Unternehmen zu stärken, damit diese Arbeitsplätze sichern oder schaffen können. In Ausnahmefällen will er zum Beispiel Zusammenschlüsse von europäischen Unternehmen trotz wettbewerbsrechtlicher Bedenken befürworten - wenn diese denn die Position der EU auf dem Weltmarkt stärken können.