Rumäniens Parlament hat am Mittwoch die umstrittenen Änderungen des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung zum zweiten Mal verabschiedet, nachdem die ursprüngliche Novelle der regierenden Postsozialisten (PSD) und ihres linksliberalen Koalitionspartners ALDE im vergangenen Jahr in weiten Teilen vom Verfassungsgericht kassiert worden war.

Die am Mittwoch verabschiedete Novelle, die von PSD-Chef Liviu Dragnea in der vergangenen Woche persönlich angeordnet worden war und binnen weniger Tage im Parlament durchgepeitscht wurde, sieht die Verwässerung oder Teilentkriminalisierung zahlreicher Straftatbestände vor. So etwa wurde die Amtspflichtvernachlässigung völlig entkriminalisiert, während die Straftatbestände der Bestechung, Einflussnahme und des Amtsmissbrauchs teilentkriminalisiert wurden - darunter auch jener Artikel, aufgrund dessen Dragnea im Juni wegen Beihilfe zu Amtsmissbrauch erstinstanzlich zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war. Weitere Änderungen sehen drastisch verkürzte Verjährungsfristen für einen Großteil der Straftatbestände, erschwerte Ermittlungsbedingungen sowie einen gelockerten Schutz für Kronzeugen vor.

"Sieg der Diebe"

Die rumänische Opposition sprach am Mittwoch von einem "Sieg der Diebe" und kündigte an, auch die neuen Strafrechtsänderungen beim Verfassungsgericht anfechten zu wollen. Es sei offenkundig, dass diese hauptsächlich den Straftätern, allen voran Politikern mit Justizproblemen, und keineswegs den Opfern dienen würden, der vorbestrafte PSD-Chef kenne keine Grenzen mehr und wolle Rumänien partout in ein "Paradies für Straftäter" verwandeln, so der Chef der oppositionellen USR, Dan Barna.

Die liberale Fraktionschefin Raluca Turcan verriss ihrerseits den PSD-Chef und warf ihm vor, "seine Probleme als doppelt Vorbestrafter durch Strafrechtsänderungen" zu lösen. Tatsächlich muss Dragneas zweites Korruptionsverfahren bei Inkrafttreten der Strafrechtsnovelle sofort eingestellt werden - zum einen, weil der Straftatbestand, der ihm zur Last gelegt wird, entkriminalisiert wurde, zum anderen, weil die verkürzte Verjährung greifen würde.

Rumäniens Richter- und Staatsanwälte-Verbände stellten klar, dass die Novelle eine "De facto-Straffreiheit für Amtsträger sowie für Straftaten wirtschaftlich-finanzieller Art einläutet", während der frühere Präsident des Verfassungsgerichts, Austin Zegrean, von einer "Einladung zu weiteren Delikten" sprach. Zegrean zufolge können Staatspräsident Klaus Johannis und die Oppositionsparteien ein Inkrafttreten der umstrittenen Novelle kurzfristig durch Verfassungsbeschwerden hinauszögern.

Darüber hinaus könne man nur hoffen, dass die Verfassungshüter dann abermals einen Teil der Änderungen kassieren, so Zegrean. Fast zeitgleich beklagte Staatschef Johannis im Gespräch mit einer Delegation der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht, besser bekannt als Venedig-Kommission, dass die Gesetzesänderungen der Koalition die Korruptionsbekämpfung erschweren und das Justizsystem noch verwundbarer machen.

Im Eiltempo durchpeitschen

Angesichts des Bukarest-Besuchs der Delegation der Venedig-Kommission hatte die rumänische Opposition den Chef des für die Justizreform zuständigen parlamentarischen Sonderausschusses am Vortag ersucht, die Abstimmung über die Strafrechtsnovelle für einige Tage zu vertagen, damit man die geplanten Änderungen mit den Experten der Venedig-Kommission besprechen könne. Ausschusschef Florin Iordache (PSD) hatte daraufhin jedoch entgegnet, die Venedig-Kommission sei "kein Messias", die Strafrechtsnovelle werde wie geplant im Eiltempo durchgepeitscht.

Die EU-Kommission ließ zunächst offen, ob sie die beschlossenen Gesetzesänderungen als schweren Verstoß gegen rechtsstaatliche Standards in der EU wertet. In diesem Fall könnte die Brüsseler Behörde ein Strafverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags auf den Weg bringen, das Rumänien am Ende sogar seine Stimmrechte bei EU-Entscheidungen kosten könnte.

Mit Gegenmaßnahmen gedroht

Ein Kommissionssprecher sagte am Abend: "Wir werden die verabschiedeten Maßnahmen nun sorgfältig prüfen, bevor wir über die nächsten Schritte entscheiden." Er wies zudem darauf hin, dass die Gesetzesänderungen noch nicht in Kraft getreten seien.

Der sozialdemokratische Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans hatte Anfang des Monats klar mit Gegenmaßnahmen gedroht, sollte die rumänische Regierung eine "De-facto-Straffreiheit" für hohe Amtsträger schaffen, die wegen Korruption verurteilt sind.