Der Beschluss des italienische Innenministeriums, 200 Migranten aus dem süditalienischen Dorf Riace in Flüchtlingsunterkünften unterzubringen und übers Land zu verteilen, sorgt für helle Empörung bei Spitzenpolitikern der Opposition und Menschenrechtsorganisationen. Sie kritisierten den Schritt des Innenministeriums, der als Schlag gegen ein Modell erfolgreicher Integration von Flüchtlingen gilt.

Nach der Festnahme des Bürgermeisters von Riace wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung hat das italienische Innenministerium am Samstag angeordnet, dass die rund 200 Migranten, die im dem Dorf in Kalabrien untergebracht sind,  in andere Flüchtlingsunterkünfte in Italien gebracht werden sollen. Das Innenministerium stellte Verstöße gegen das Gesetz im Umgang mit der Flüchtlingsversorgung fest. Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini sprach von Unregelmäßigkeiten im Umgang mit öffentlichen Finanzierungen für die Flüchtlingsversorgung.

Symbol für Toleranz

Schon 2016 war bei einer Inspektion des Innenministeriums festgestellt worden, dass die Strukturen, in denen die Migranten in Riace untergebracht sind, nicht angemessen seien. Vor rund zwei Wochen war der Bürgermeister von Riace, Domenico Lucano, festgenommen worden, der international als Symbol für Integration und Toleranz galt.

Aussterbendes Dorf

Lucano wird Begünstigung illegaler Einwanderung vorgeworfen. Er soll unter anderem Scheinehen zwischen Flüchtlingen und Einwohnern von Riace organisiert haben. Lucanos Idee war, das aussterbende Dorf mit der Hilfe von Migranten wiederzubeleben. Viele Menschen, darunter auch Prominente wie der Anti-Mafia-Autor Roberto Saviano, hatten gegen seine Festnahme protestiert. Sie sehen darin politische Motive der rechten Regierung.

Politische Hetzjagd

"Man will uns vernichten. Gegen uns ist eine Hetzjagd im Gange. Gegen den Beschluss des Innenministeriums werden wir Einspruch erheben", betonte Lucano, der sich derzeit unter Hausarrest befindet. Solidarisch mit dem Bürgermeister erklärte sich Mario Oliverio, Präsident der Region Kampanien. Er appellierte an Salvini, seinen Beschluss rückgängig zu machen. Man dürfe Riaces positive Erfahrung mit der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen nicht einfach ausradieren.

Die Grünen und Menschenrechtsorganisationen beschuldigten Salvini, Beschlüsse zu fassen, die an "totalitäre Regime" erinnerten. Der Bürgermeister von Neapel, Luigi De Magistris, beklagte die "Deportation" von Migranten aus Riace, eine "gewaltsame und unmenschliche Geste". "Statt Mafiosi zu bekämpfen deportiert das Innenministerium Opfer von Menschenhändlern. Das ist eine Schande", twitterte De Magistris.

(Schluss) mit/za/syl